Das Geheimnis des Hochspringers

Er stößt die Kugel, sprintet über Hürden und wirft den Diskus – im Training. Multifunktionales Üben nennt das Martin Buß. Beim Internationalen Stadionfest (Istaf) ging der Hochspringer nun auch als Weitspringer in den Wettkampf

Buß formulierte es ohne Umschweife. „Was soll es gebracht haben?“, konterte er die Frage nach dem Sinn seiner Weitsprünge. Der Weltmeister im Hochsprung hatte für das Istaf die Disziplin gewechselt. Am Freitagabend versuchte der Berliner also den Balken zu treffen, anstatt über die Latte zu floppen.

Martin Buß wollte sich im Olympiastadion vor 41.000 Zuschauern den Applaus holen, der ihn auch bei seinem Sprung über 2,36 Meter bei der WM im kanadischen Edmonton begleitete. Die Bestweite des 1,95 Meter großen Springers, der früher für den Olympischen Sportclub Berlin an den Start ging und nun im Leibchen von Bayer Leverkusen antritt, liegt bei 7,75 Metern. Vor dem Wettkampf hielt Buß eine Weite über 8 Meter für möglich. Bedingung hierfür: den Balken treffen. Der 25-Jährige hatte damit aber seine liebe Mühe und Not. Er schaffte nur 7,37 Meter, sprang nur dreimal, weil er als Neunter den Endkampf verpasste. „Viel mehr hatte ich nicht erwartet“, gab Buß zu und rechtfertigte sich anschließend: „Acht Meter wären drin gewesen, mehr habe ich nicht gesagt.“

„Wir Deutschen haben ein paar Faxen gemacht“, sagte er über die entspannte Stimmung auf der Tartanbahn. Es ging für ihn um wenig. Er wollte einfach dabei sein, und da das Hochspringen auf dem Istaf dieses Jahr nur für die Frauen eingeplant war, sprang er eben weit. Nur nicht weit genug.

Frank Busemann, der Zehnkämpfer, sprang hingegen weit. Er erklärte im Vorfeld, er habe ein „mächtiges Pfund“ drauf. Er führte den Wettkampf lange mit 8,04 Meter an. Erst nach Diskussionen mit dem Kampfgericht stand aber der Sieger fest. Im letzten Durchgang trat Weltmeister Ivan Pedroso etwa zwei Zentimeter über, jedoch fanden sich keine Abdrücke auf dem Plastilin, weshalb er nachträglich mit 8,16 Metern zum Sieger erklärt wurde.

Hochspringer Buß erklärte anschließend, warum es für einen Hochspringer nicht ungewöhnlich ist, Weitsprung zu betreiben. Im Training sei das eine normale Sache. Außerdem lägen beide Disziplinen nah beieinander, so Buß. „Während eines Hochsprungs springe ich auch 4,50 Meter weit, nur eben höher.“ Er stoße auch die Kugel, sprinte über Hürden, werfe den Diskus. Das abwechslungsreiche Training sei das „Geheimnis des Hochsprungs“. Sein Trainer Rainer Pottel fördert das multifunktionale Üben.

„Mein Trainer hat immer Ideen, aus dem Schlechtesten das Beste zu machen“, sagte Buß. „Er weiß sogar, wie es mir nach bestimmten Trainingsmethoden drei Tage später geht“, verfiel Buß in eine Lobeshymne über den Coach. Vor der WM habe Pottel regelrecht „gezaubert“. Am Strand von Warnemünde verbesserte Buß im Sand der Ostsee sein Sprungvermögen, nachdem die Saison bis dahin alles andere als gut verlaufen war und er nur dank Kulanz des Verbands nach Übersee hatte reisen dürfen.

Der große Ansturm der Sponsoren blieb nach Edmonton dann trotz Erfolgs aus. Die Lufthansa bot ihm an, Pilot von Passagiermaschinen zu werden. Im Berliner Umland will er nun seinen Flugschein machen.

Ob ein Ausflug zu einer weiteren anderen Disziplin irgendwann einmal anstehe, wurde Buß noch gefragt, zum Hürdenlauf vielleicht. „Nein, ganz sicher nicht“, antwortete er. „Ich laufe ja nur über Schülerhürden, und bei den ganz hohen würde ich mir die Beuge abreißen.“ Dann eben nur hoch und weit. VÖL