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Schwächelndes Musikfest im Kraftwerk

■ Hätten Paquito D'Rivera und Quartett im Kraftwerk Farge seinen besten Auftritt gehabt, es wäre tragisch gewesen – denn niemand hätte sie richtig gehört

So endet es, wenn Sponsoren Wünsche haben! Die Firma „E-on / Kraftwerke“ unterstützt das 12. Musikfest Bremen, und will dafür natürlich auch etwas zurück haben. Ein Konzert in der Werkhalle des Kraftwerks in Farge wäre doch eine schöne Idee: Kultur plus Energie und so weiter.

Solche Argumente wie Akustik oder Atmosphäre sind da nebensächlich, und so kam es dann, wie es kommen musste. Als Event mochte der Auftritt von Paquito D'Rivera ja seine Reize gehabt haben, aber als Konzert war er eine Katastrophe. Man hörte einfach kaum etwas. Gerade mal den Solisten, und auch den fast nur in den Höhen. Das Schlagzeug schepperte reichlich (reflektiert von der Betonwand), und dass ein Pianist mitspielte, konnte man sehen, aber kaum mehr. Es ist ja heutzutage möglich, auch die schlimmste Raumakustik mit technischen Tricks erträglich zu machen, aber nicht mit den zwei armseligen, kleinen Lautsprechern, die bei diesem Auftritt über dem Publikum hingen.

So ist eine Bewertung der musikalischen Qualitäten dieses Konzerts also kaum möglich. Die Kürze des Auftritts (fast auf den Takt genau die 90 Minuten, die wohl im Vertrag stehen) und die unübersehbaren Irritationen des Bandleaders, der seinen Pianisten zeitweise nicht hören konnten, lassen vermuten, dass auch er dies nicht als eine seiner Sternstunden in Erinnerung behalten wird.

Geboten hat der aus Kuba stammende Saxophonist und Klarinettist sehr gefälligen, soliden Mainstreamjazz mit lateinamerikanischen Einflüssen: Bossa Nova, kubanische Rhythmen, Stücke seines Mentors Dizzy Gillespie, eine Komposition mit „tropic-flavour“ von Pat Metheny und den „Libertango“ von Astor Piazolla.

Alles schön und süffig, aber nie mitreissend. Der Bandleader spielte durchgängig auf hohem technischen Niveau, sehr elegant, sehr vielseitig, perfekt – ein Virtuose. Aber man hatte nie das Gefühl, er würde sich in eine Improvisation hineinsteigern. „Das kann er auch im Schlaf spielen“ – war der Verdacht, der sich einschlich. Und seine Band bestand aus soliden Musikhandwerkern: Alle waren bestens aufeinander eingestimmt, der Gitarrist Romero Lubambo durfte auch mal durch ein paar rasend schnelle (immerhin von Bach geklaute) Läufe glänzen, aber die Vier begleiteten den Meister nur und forderten ihn nie. Er spielte mindestens zwei Drittel der Soli: immer mit einer klugen Dramaturgie aufgebaut, aber ohne einen Kontrapunkt, der von außen, aus der Band kam, und deshalb auch leidenschaftlos, harmlos, fast mechanisch.

Ob er sonst inspirierter spielt, ob alle hier nur das Allernötigste geleistet haben, ist schwer zu sagen. Aber wenn Paquito D'Rivera von der Muse geküsst den besten Auftritt seines Lebens bestritten hätte, wäre das ja wirklich tragisch gewesen. Denn keiner hätte es richtig gehört. Wilfried Hippen

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