: Neues Tief am Neuen Markt
Aktienindex Nemax 50 unter 1.000 Punkten. Deutsche-Bank-Chef Breuer mit spätem Bekenntnis. Probleme der Kinowelt AG gefährden eventuell Fußballvereine
FRANKFURT/MAIN dpa/rtr/taz ■ Der krisengeschüttelte Neue Markt der Deutschen Börse stürzt ins Bodenlose. Die monatelange Talfahrt der mehr oder weniger hippen Börsenfrischlinge erreichte am Montag einen neuen historischen Tiefpunkt: Das einstige Hoffnungssegment Nemax 50 fiel bis zum Nachmittag um gut drei Prozent auf nur noch 994 Punkte. Der Nemax All Share gab ebenso stark auf 1.045 Zähler nach.
Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Rolf Breuer, hat unterdessen eine Mitschuld der Banken am Kursdesaster eingeräumt. Bei der Begleitung von Börsengängen der Unternehmen habe das Geldgewerbe oftmals „mangelnde Sorgfalt“ walten lassen, sagte Breuer am Montag auf einer Veranstaltung des Frankfurter Vereins „Finanzplatz“ zu den Perspektiven des Neuen Marktes. Die Institute müssten sich stärker ihrer „Pflicht einer sorgfältigen Kontrolle“ bei der Auswahl von Börsenkandidaten bewusst werden.
Der Chef der größten deutschen Bank betonte jedoch, dass alle Börsenakteure am Absturz des Neuen Marktes beteiligt gewesen seien. So habe die Deutsche Börse AG als Hausherr in den Anfangsjahren des 1997 ins Leben gerufenen Marktsegments mit einem unzureichenden Regelwerk operiert. Analysten hätten mit zu optimistischen Urteilen die „Stimmung“ hochgeschraubt, Anleger in ihrer „Zeichnungseuphorie“ nicht richtig hingeschaut. „Unseriöse Marktteilnehmer“ hätten das Image zusätzlich geschädigt.
Im letzten Jahr haben selbst von den 50 größten Firmen am Neuen Markt nur acht eine Dividende gezahlt. Gestern waren es vor allem Lambda Physik, Kinowelt und BroadVision, deren Kurse nach unten trudelten. „Die Welle negativer Meldungen reißt nicht mehr ab“, sagte ein Frankfurter Händler. Es sei erschreckend, dass sich auf diesem niedrigen Kursniveau keine Käufer fänden und der Umsatz schwach bleibe. „Kein Profi interessiert sich mehr für diesen Markt“, hieß es. Die Medienfirma Kinowelt AG steht anscheinend sogar vor dem Konkurs. Das haben zumindest Banken und auch der Vorstand in den letzten Tagen durchblicken lassen. Neues Geld von Aktionären gibt es bei solch niedrigen Kursen jedenfalls keines. Dabei wollten die Münchner sogar Leo Kirch in seinem Kerngeschäft Filmehandel angreifen. Was mit den 14 Fußballvereinen passiert, mit denen Kinowelt Sponsorverträge abschloss, bleibt unklar – darunter immerhin Erstligist Borussia Mönchengladbach und vier Zweitligisten. REM
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