Triumph des Alters

Die NS-Propagandistin Leni Riefenstahl plant in ihrem Wohnort Pöcking am Starnberger See ein eigenes Museum

Seit einiger Zeit schon gehe es ihr gesundheitlich sehr schlecht, ist aus ihrem Umkreis zu hören. Und der Bunten erzählte sie selbst, sie benötige wegen ihrer starken Rückenschmerzen alle acht Stunden eine Morphiumspritze. Kein Wunder: Leni Riefenstahl ist gerade 99 geworden – und körperlich geschont hat sie sich nie. So mag man es ihr auch kaum verdenken, dass sich die alte Dame Gedanken um ihren Nachlass macht. Sie suche nach einem Ort, bestätigte ihr Assistent der Süddeutschen Zeitung, an dem sie „ihre über die ganze Welt verstreuten Fotografien und Filmdokumente versammeln und zugänglich machen“ kann. Dieser Ort soll ihr Wohnort sein: In Pöcking am Starnberger See will sie ein Grundstück kaufen. Finanziert werden soll das Unternehmen mit Hilfe einer Stiftung. Keine aussichtslose Idee: Bei Auktionen und im Handel erzielen Riefenstahls Fotos horrende Preise.

Wenn es Riefenstahl tatsächlich nur darum geht, das künstlerische Erbe verwaltet zu wissen, dann wäre allerdings eine andere Lösung viel einfacher und preiswerter: Dutzende von Filmhochschulen würden mit Sicherheit gern ihre Filme konservieren und aufarbeiten. Und in zahlreichen deutschen Museen gibt es mittlerweile auch hervorragende fotografische Sammlungen, in denen die Fotoreportagen eine Heimat fänden. Genau das aber will Leni Riefenstahl offenbar nicht.

Ihr geht es schon seit langem nicht um wissenschaftliche Auseinandersetzung: Riefenstahl will auch nach ihrem Tod das behalten, was sie schon zu Lebzeiten mit geradezu starrsinniger Vehemenz verteidigt: die Interpretationshoheit über ihr Werk. Nein, sagt die Greisin noch heute in jedes ihr hingehaltene Mikrofon, sie habe sich nie von Hitler korrumpieren lassen. Sie sei immer nur Künstlerin gewesen. Und dass die Nationalsozialisten ihre Arbeit für Propagandazwecke einsetzten, habe nicht sie zu verantworten. Die Vorwürfe, sie habe für den Film „Tiefland“ persönlich KZ-Häftlinge als Statisten ausgesucht: pure Verleumdung. Die zahlreichen Privilegien, die sie zwischen 1933 und 1945 gern genoss: kein Zusammenhang zu ihren Propagandafilmen. Und vor allem – keinerlei Anerkenntnis irgendeiner persönlichen Schuld.

Diese Haltung soll nun offenbar für alle Ewigkeit in einem Museum festgeschrieben werden, in dem Mitarbeiter einer noch zu gründenden Riefenstahl-Stiftung Wandtafeln und Katalogtexte darüber verfassen, wie deren Bilder zu interpretieren seien. Hitler auf dem Reichsparteitag: vollkommen harmlos. Gestählte Körper bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin – vollkommen unpolitisch, wie Leni Riefenstahl zu betonen nicht müde wird. Nur um die Schönheit sei es ihr gegangen . . .

Zur Erinnerung: Nur wenige Kilometer entfernt, in Feldafing, gab es durchaus Probleme, als dort ein Museum für die expressionistischen Gemälde aus der Sammlung Buchheim gebaut werden sollte. Weil sie nicht die gestählten Körper wiedergeben, die Riefenstahl so gern fotografierte, galten diese Bilder bei den Nazis als „entartet“. Damals verhinderte die Gemeinde einen Museumsbau mit fadenscheinigen Argumenten – er kam schließlich in Bernried zustande.

Leni Riefenstahl und ihre fragwürdige Kunst scheinen diese Probleme in Bayern nicht zu haben: Sie sind offenbar willkommen. Der Bürgermeister von Pöcking hat bereits verlauten lassen, auf Anhieb habe er mit einem Riefenstahl-Museum „keine Probleme“. Wahrscheinlich wird er die erst bekommen, wenn er merkt, wen sein neues Museum vor allem anzieht: jene Ewiggestrigen nämlich, die zur deutschen Vergangenheit ein ähnlich ungebrochenes Verhältnis haben wie Leni Riefenstahl.

STEFAN KOLDEHOFF