5.000 mal 5.000 Jobs: Pest & Cholera
■ VW-Modell: IG Metall fühlt sich fast bedroht, Bremens Bosse fantasieren
Für die Chefs ist es eine Erfolgsstory der Deutschland AG, für die Gewerkschaften ein dicker Klops, den sie mit Widerwillen schlucken mußten: Der neue Tarifvertrag bei VW, mit dem Jobs für zunächst 3.500 Arbeitslose in Wolfsburg, später zusätzlich 1.500 in Hannover geschaffen werden sollen. Unter der Kurzformel „5.000 mal 5.000“ ist VW damit nach der Einführung der 4-Tage-Woche mal wieder dabei, Tarifgeschichte zu schreiben. Der Knackpunkt: Die Wolfsburger zahlen circa 2.000 Mark weniger als beim VW-Haustarif üblich. Aber sonst wäre Volkswagen-Chef Ferdinand Piäch für den Bau seines Mini-Vans eben einfach nach Osteuropa gegangen.
Rund 60.000 Jobs gibt es laut IG Metall derzeit in der Bremer elektro- und metallverarbeitenden Industrie. 40.000 Arbeitslose im Stadtstaat leider auch. Viele ohne Beschäftigung würden sich glatt die Finger nach 5.000 Mark brutto (inzwischen sind es sogar 100 Mark mehr) lecken – oder? Tarifgebundende versus frei verhandelte Werksverträge mit Dumping-Löhnen und/oder flexiblen Arbeitszeiten – wie auch beim neuen BMW-Werk in Leipzig: Derzeit springt die Job-Maschine in Deutschland offenbar nur per Einführung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft an.
Genau das wurmt die Bremer Gewerkschafter: „Das ist ja wie die Wahl zwischen Pest und Cholera“, meint Inge Lies-Bohlmann von der IG Metall. Es könne nicht angehen, dass der Wink mit der „Sonst produzieren wir eben im Ausland“-Keule reihenweise gewachsene Tarifstrukturen aushöhle. „Letztlich ist das eine Machtfrage“, kritisiert die Gewerkschafterin.
„Außerdem gibt es das teilweise in Bremen schon“, sagt Lies-Bohlmann. „Bei STN-Atlas haben sie längst Zielvereinbarungen eingeführt.“ Das ist die Umschreibung für den Erfolgsbonus in Höhe von 500 Mark monatlich, den die VW-ler bekommen, wenn sie ein bestimmtes Arbeitssoll erfüllen – oder eben nicht. Wenn sich herausstellt, dass die Arbeiter etwas verbockt haben, heißt es ohne Murren – und ohne Geld – nacharbeiten. „Wenn die Qualität nicht stimmt, haben die Arbeiter die Pappnase an“, kritisiert Lies-Bohlmann.
„Das VW-Modell setzt Fantasien frei – aber viele waren auch schon vorher da“, meint hingegen Ortwin Baum, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektroindustrie Unterweser. „Interessant ist doch, dass Arbeitslose eingestellt werden, davon 30 bis 40 Prozent weniger Qualifizierte“, lockt der Unternehmer-Vertreter, der natürlich die Erfolgsabhängigkeit besonders spannend findet.
VW könne da sehr wohl Vorbildfunktion für andere Branchen haben. Baum: „Vor allem für Tätigkeiten, die weniger Qualifikation erfordern.“
Ein „lohnendes Modell“ sei es auch, dass bei VW statt der üblichen dreieinhalb Jahre Ausbildung direkt im Betrieb geschult werde. Das bringe die Menschen näher an den Arbeitsmarkt. „Eins zeigt sich oft bei der Beschäftigung von bislang Arbeitslosen: Je mehr Qualifikation im Betrieb, desto eher bekommt der Joblose eines Tages wieder eine Beschäftigung.“ ksc
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