berliner szenen: Prinzip Diskokugel
Saugut
Eine bekannte Erfahrung: Man blickt in die Welt hinein, und diese schickt nur rätselhafte Erscheinungen zurück. Früher gab es für solche Phänomene schöne Wörter wie Ekstase, Entfremdung oder Erhabenheit. Heute ist alles einfacher: Während meine Kinder schlicht „cool“ sagen, gucke ich auf die Namen der Sponsoren und weiß, in welcher Realität ich mich befinde. „Tout s’explique!“, sagte ich mir also bei der Eröffnung der Ausstellung „Novalog 2001“ am Dienstagabend in der Staatsbank. Unter dem Motto „new media experience“ und den vielen mir unbekannten Namen der KünstlerInnen und DJs aus Tel Aviv und Berlin erkannte ich auf dem Flyer mit Erleichterung einen Haufen von Namen und Logos: taz, de:Bug, Volkswagen, Berlin-Partner, Investitions Bank Berlin oder die Firma mit dem soft klingenden Namen „Groovability“. Die mitten in dieser „explosiven Bilderschau“ lässig plaudernde Jugendgesellschaft war also Teil meiner familiären Welt, und ich beruhigte mich. Ich hatte nur das Gefühl, dass die Kunst der neuen Medien in der Zukunft immer mehr nach dem Prinzip Diskokugel funktioniert: Wir alle sitzen in einer riesigen Lounge, und jedes Werk ist eine einzige große Spiegelung. Eine wunderbare Gleichzeitigkeit schmückt die nackte Wand der Moderne.
Dagegen bleibt mir ein Plakat der Firma Sisley, das ich auf dem Heimweg sah, weiterhin rätselhaft. Wo vorher Premiere World mit den Worten warb: „Sex ist besser ohne Unterbrechung“ – irgendwie ja auch eine „new media experience“ –, zeigt Sisley jetzt eine Frau neben einem Schwein. Oder ist es eine Sau? Befremdlich, dass die Hände der Frau nicht zu sehen sind. Ob sie gerade Sex mit dem Tier hat? Sex ohne Unterbrechung? Oder bedeutet es, dass man mit Klamotten von Sisley einfach saugut aussieht? YVES ROSSET
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