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Endlich: 4000 Mark für Podewitz

■ Willi Podewitz, bekannt in HB ob seiner unglaublich guten Glossen, hat jetzt den Kabarett-Förderpreis bekommen

Viertausend Mark. Das sei ihm aber nun von Herzen gegönnt, dem Willi Podewitz. Leider muss er das Geld teilen. Mit seinem Bruder. Denn Peter und Willi Podewitz haben zusammen gewonnen: den Förderpreis des deutschen Kabaretts, der von der Stadt Nürnberg verliehen wird. Podewitzens verfügten über „erfrischende Hemmungslosigkeit und Lust an intelligentem Blödsinn“. Na ja, das hätte Wili auf jeden Fall schöner gesagt.

Wie schön der Podewitz immer alles sagen konnte, wissen eifrige Zett-Leser. Das Monatsmagazin der Kulturzentren Schlachthof und Lagerhaus hat nämlich jahrelang Glossen von Willi P. gedruckt, ja es hat ihn quasi ,entdeckt'. Nur: bezahlt wurde er dort fast nie. „Poet Podewitz hat seine besten Ideen zum Pfandhaus getragen“ schrieb er im Februar 1992. Wenig später die folgende Geburtstagsglosse auf das Kulturzentrum, die der Schlachthof für die taz nun herausgesucht hat und die wir hiermit als Glückwunsch an Podewitz und natürlich auch an seinen Bruder nochmal abdrucken. hey

Unternehmen Schlachthof, ein mutiger Artikel

Am 12. April 1992 ist der Schlachthof auf den Tag genau 110 Jahre alt. Zeit, dass endlich jemand den Mut findet, die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen, der Menschheit den Schleier von den Augen zu reißen und in schonungsloser Offenheit berichtet, was da eigentlich vorgeht hinter der fadenscheinigen Kulisse eines angeblichen Kulturzentrums. Tief unten, in dem weitverzweigten, undurchsichtigen Kellergewölben des Gebäudekomplexes mit seinen gotisch gewölbten Bogengängen und dämmernden, verwinkelten Korridoren, wo kleine Gitterfenster ein fahles purpurnes Licht auf den feuchten, schwammigen Boden werfen; dort unten, wo es kalt und zugig ist und von porösen Wänden lautlos der Kaviar tropft, wo es nach Öl und Talg und faulen Ausreden riecht inmitten der zahllosen Katakomben also, hinter den schweren eisenbeschlagenen Eichenholztüren, da ist die geheime Kommandozentrale der Weltverschwörungsliga, des wohl gefährlichsten und skrupellosesten Syndikats seit den Les Humphries-Singers. Ausgestattet mit dem besten technischen Gerät und den schlechtesten Charaktereigenschaften planen sie die totale Manipulation der Menschheit und die endgültige Machtübernahme in den Bereichen Wirtschaft, Militär und Kindertheater; das Ganze ist natürlich eine Verschlusssache, Top Sigrid, streng geheim.

Sie haben riesige Röntgenschirme, schwere Laserkanonen, drahtlose Rasierapparate und stark behaarte Beine; ihr Fanatismus ist grenzenlos, ihre Intelligenz nicht. Um ihr Ziel zu erreichen gehen sie über Leichen und bei Rot über die Ampel; für sie heißt Mitleid Schwäche und Raider neuerdings Twix. Sie sind hemmungslose Nihilisten, sind gegen Kolonialismus, gegen Tierversuche, praktisch gegen alles, was Spaß macht.

Sie machen uns mürbe, lullen uns ein und verseuchen unser gutes Trinkwasser mit Jubiläums-Aquavit. Sie haben Wedemeier die Schuppenflechte angehext und die Schnürsenkel geklaut; sie sind Schuld, dass Werder Bremen auf den achten Platz gefallen ist und dass es nächsten Samstag regnet.

Aber damit nicht genug. In ihren kranken Hirnen reift seit langem schon ein neuer teuflischer Plan. Irgendwo in ihren schaurigen Laboratorien arbeitet der dämonische Doktor X fieberhaft daran, eine Kultursenatorin zu klonen; ein tumbes, stumpfes, willenloses Geschöpf, und irgendwann wird sie dann gegen die Echte ausgetauscht, oder ist das schon geschehen; wer weiß?

Die Zeichen mehren sich, dass die Weltverschwörung noch in diesem Jahr zu ihrem letzten, großen Schlag ausholen wird. Wenn nämlich erst draußen im Sommergarten der erste atombombensichere Cocktailtresen fertiggestellt ist, dann kann sie nichts mehr stoppen, da werden sie sie sich eine Bloody Mary aus dem Ärmel schütteln, eine letzte Olive einwerfen, und dann wird die Weltvernichtungsmaschine ausgelöst; denen darf man wirklich nix zu trinken geben. Aber noch ist es nicht zu spät, noch können wir alle etwas dagegen tun, noch gibt es Hoffnung.

Ein erster wichtiger Schritt wäre zum Beispiel, wenn wir am 12. April den Schlachthof boykottieren und uns alle um 20 Uhr im Lagerhaus-Cafe treffen. Da gibt es übrigens dann auch noch Weber/Podewitz zu sehen mit einem fantastischen Programm, und während wir da unseren Spaß haben, kann die Weltverschwörungsliga im Schlachthof ganz alleine den Geburtstagskuchen auslöffeln.

Also, auf wessen Seite steht ihr? Willi Podewitz

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