Das Leben wagen – im Wagen leben

Rollheimer aus der gesamten Republik treffen sich in der Hauptstadt. Sie treten für den Erhalt alternativer Lebensformen ein. Die Berliner CDU hat die Wagenburgen bereits zum Wahlkampfthema gemacht

Ein ungewöhnliches Bild bot sich den PassantInnen gestern auf dem Berliner Alexanderplatz: Um mehrere bunt bemalte Bauwagen sind Transparente mit den Slogans „Berlin braucht Bauwagen“ und „Uns gehört die Stadt genauso“ drapiert. Unter einer Plane gibt es gegen Spende fleischlose Brote und frische Getränke. Auf Stelltafeln sind Fotos verschiedener Bauwagenplätze der Republik zu sehen. Schließlich soll das Happening über das Leben in den über 100 Wagenplätzen in Deutschland informieren.

Das Event ist Teil der bundesweiten Wagentage, zu denen sich bis Sonntag rund 200 RollheimerInnen in der Hauptstadt versammeln. Das Treffen ist gleichzeitig als Solidaritätsaktion für Berliner WagenbewohnerInnen zu verstehen, deren rechtlicher Status größtenteils noch immer ungesichert ist.

Anders als in vielen deutschen Städten, wo das Leben im Wagen schon längst vertraglich geregelt ist, werden Wagenburgen in Berlin immer noch als ordnungspolitisches Problem gesehen. Dabei berufen sich die PolitikerInnen auf ein Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts von 1996, das das Wohnen in Wagenburgen als mit dem Baurecht unvereinbar bezeichnete.

„Während die Stadt Tübingen einen Bildband mit der örtlichen Wagenburg finanziert, wird in Berlin viel Geld für die polizeiliche Überwachung von WagenbewohnerInnen ausgegeben“, kritisiert Dietmar Peters die Folgen der harten Berliner Linie sarkastisch. Peters ist Sprecher des neu gegründeten „Komitees zur grundrechtlichen Verteidigung alternativer Lebensformen“, das sich die Legalisierung von Wagenburgen zum Ziel gesetzt hat. Dieses Anliegen steht während der viertägigen Wagentage im Mittelpunkt der nichtöffentlichen Arbeitsgruppen.

Peters sieht das repressive Vorgehen in Berlin nicht nur als Problem der WagenbewohnerInnen. „Es ist Ausdruck einer Stadtpolitik, die nicht der Norm entsprechende Lebensformen rigoros bekämpft und immer wieder für populistische Kampagnen gegen Minderheiten benutzt.“

Als aktuelles Beispiel zitiert er aus einer Presseerklärung der Berliner CDU von letzter Woche. Unter dem Titel „Die Wagenburgen werden unter Rot-Rot-Grün in Berlin wieder heimisch“ soll rechte Stimmung im müden Berliner Wahlkampf gemacht werden. Zuvor war bekannt geworden, dass der Bezirk Kreuzberg-Freidrichshain einer neuen Wagenburg eine Duldung ausgesprochen hatte. PETER NOWAK