: Stadtrückbau in Weißwasser
Die Umsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“ der Bundesregierung stößt vor Ort auf finanzielle Grenzen bei den beteiligten Wohnungsbaugesellschaften
WEISSWASSER taz ■ Wird Weißwasser bald wieder sein wie vor 150 Jahren: ein idyllisches Dorf, 600 Einwohner, umgeben von Seen mit weißem Quarzsand? Die einstige Industriestadt hatte vor der Wende 37.000 Einwohner. Heute sind es noch 26.000.
Bevölkerungsrückgang verursacht Wohnungsleerstand. In der Lausitzstadt sind 22 Prozent der Wohnungen ungenutzt. Vor allem im vom DDR-Plattenbau geprägten Südteil drohen Verödung und sogar Verslumung.
Für Städte wie Weißwasser ist das Programm „Stadtumbau Ost“ der Bundesregierung in Höhe von insgesamt 2 Milliarden Mark gemacht. Abriss, Rückbau und Erneuerung des urbanen Raumes will Berlin damit finanzieren. Die Länder sollen dieselbe Summe obenrauf tun. Auch die Kommunen sind gefragt.
Doch das Geld wird so einfach nicht fließen, das weiß der Vorsitzende der Wohnungsgenossenschaft in Weißwasser, Horst Opitz. Bürgermeisterin Helma Orosz (CDU) hat bereits angekündigt: Keinen Pfennig werde es von der Kommune geben. Wenigstens die sächsische Landesregierung stellt Zuschüsse zur Verfügung, doch die reichen gerade mal für den bloßen Abriss der Platte, nicht für Umbau und Renovierung oder die Umsetzung der Mieter.
Die von der Bundesregierung angeregte Aufnahme von Darlehen durch die Wohnungsunternehmen kommt für Opitz nicht in Frage. 400 Milionen Mark an Investionen haben er und sein Kollege von der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in den letzten 10 Jahren in die Wohnungen gesteckt. Die Schulden erdrücken die Unternehmen. Die Banken sind nicht mehr bereit, Kredite zu gewähren.
Und das Schlimmste ist: Gewinn werfen nicht die teuer sanierten Neubauten mit 8,50 Mark Miete je Quadratmeter ab, sondern die unsanierten Wohnungen für 5 Mark. Und gerade die sollen jetzt abgerissen werden. „Damit ist mittelfristig unsere Existenz gefährdet“, gesteht Opitz ein. Doch eine Alternative zum Abriss sieht er nicht.
Ein wichtiges Problem sind die Altschulden aus DDR-Zeiten. Sie müssten für die abgerissen Objekte erlassen werden. Das fordert mit Opitz auch der Gesamtverband der deutschen Wohnungsunternehmen von der Bundesregierung.
Die Stadtverwaltung erarbeitet gerade ein Entwicklungskonzept für Weißwasser. Ingesamt sollen in den nächsten Jahren 4.000 der 15.000 Wohnungen in der Stadt „vom Markt genommen werden“, so der beauftragte Ingenieur. Wer die finanziellen Schwierigkeiten der Lausitzer sieht, der wird die Vision von der Rückgewinnung urbanen Lebensraumes wohl ad acta legen.
HEIKO HÄNSEL
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