: Grüne Nostalgie
GAL will mit Fernsehspot „Humor“ in den Endspurt des Wahlkampfes bringen ■ Von Peter Ahrens
Die Grünen – sie sind noch so, wie sie immer waren. Sie essen nur Gemüse aus ökologischem Anbau, in der Küche stehen warme Kiefernmöbel, sie schwärmen von den Brokdorf-Demos, und sie haben die alten Plakate aus den 80ern noch an der Wand hängen. Das meint Schmidt-Impressario Corny Littmann wohl, wenn er davon spricht, dass man den Fernsehspot der GAL zur Bürgerschaftswahl „humorvoll mit einem Lächeln“ aufgebaut hätte. Denn schließlich kann man über dieses Grünen-Bild ja wirklich nur lachen.
Die Szene: Küchentisch in Lindenstraßen, genauer Andy-Zenker-Ästhetik. Eine Frau schneidet Gemüse und schwärmt ihrer Tochter von Homo-Ehe, Gewaltfreiheit und Demo-Nostalgie vor. Das Kind, das in Wirklichkeit der Schauspieler Götz Fuhrmann ist, stopft unbeeindruckt Hamburger in sich hinein und weist irgendwann daraufhin, dass es erst neun Jahre alt ist und gar nicht wählen darf. Blick der Frau in die Kamera: „Dann müssen Sie halt die Grünen wählen.“ Schnitt, Ende, 1:30.
Spitzenkandidatin Krista Sager nutzt die Gelegenheit der Spot-Präsentation im Schmidts, darauf hinzuweisen, dass man als GAL sich stets für den Kiez stark gemacht habe und wie wichtig die Künstler für St. Pauli sind. Corny Littmann, alter GAL-Spezi seit eh und je, ist einer von den Gemeinten, und als die GAL einen Fernsehspot brauchte, „bei dem den Künstlern ganz freie Hand gelassen wurde“, war er mit dabei und betont „sehr viel Vergnügen bei den Dreharbeiten gehabt“ zu haben.
Das rührende Grünen-Bild vergangener Zeiten, das Rohkost-Klischee, die Müslifresser, die Birkenstock-Generation, die politischen Wollpullover, die Selberstricker, diese ganze bekannte Chose halt. Die Grünen heute sitzen vor dem Fernseher und lachen sich darüber einen Ast. Hi, hi, so waren wir früher. Gut, dass wir heute anders sind, eine moderne vorwärts gewandte Großstadtpartei. Nicht immer nur so negativ.
So ganz ungeschoren wollen Littmann und Co die GAL von heute nicht davon kommen lassen. Während die Frau sagt, dass „sie immer noch für Gewaltfreiheit ist“, muss eine Fliege unter dem Pantoffel ihr Leben lassen. Ja, ja, die zwei Seiten der grünen Partei.
Was den Spot, der viermal im Wahlkampf auf der Hamburg Welle des NDR laufen soll, so einzigartig macht: Er kommt ganz ohne Ronald Schill aus. Und das heißt bei diesem ganz auf das Schill-Szenario zugeschnittenen GAL-Wahlkampf schon etwas.
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