: Von A nach Freundschaft
Mina haben mit „A To B“ ein Album mit süßen und aggressiven Melodien gemacht. Heute spielen sie im Pfefferberg
Mina ist keine Band, die einem Gott und die Welt und gegebenenfalls die eigene Sicht darauf erklären will. Worte sind für sie nicht so wichtig. Nicht in ihren Songs, die fast alle ohne Worte auskommen, sondern auch im Gespräch. Zwar redet beim Treffen mit den Mina-Mitgliedern Norman und Masha vor allem Norman durchaus gern. Doch es geht dabei mehr um die eigene Musik, wie es dazu kam und was derzeit auf dem eigenen Plattenspieler rotiert. Und nicht so sehr darum, sich als Band in sozialen, ökonomischen oder sonstwelchen Kontexten diskursiv zu verorten.
In und um Berlin werden schließlich schon genug Worte gedroschen.Minas stille Zurückhaltung gegenüber der Sprache und ihrer Definitionsmacht lässt sich als beredte Antwort gegen den anschwellenden Lärmpegel um sie herum deuten. Was sie vom Berlin-Mitte-Hype und Berlin als Pop-Hauptstadt halten, machen sie unterschwellig deutlich: durch Gesten und nonverbale Kontextualisierung. Wie ihre Schwesterband Contriva üben sich auch Mina im dreibeinigen Spagat zwischen Hobby, Passion und Professionalität. Mal ist Masha für ein halbes Jahr in Spanien, nun beginnt Hannes seine Ausbildung an der Schauspielschule in Rostock.
Die Band aber besteht weiter, allein weil die Freundschaft fortbesteht. Ihre eigene Position innerhalb des aktuellen Berlin-Pop-Hypes aber reflektieren sie durchaus: Man wird schließlich auch im Ausland geliebt und begibt sich auf ausdrücklichen Wunsch von Stereolab mit diesen auf Europatour. Nur müssen diese Erfolge ja nicht in jedes Mikro gebrüllt werden.
Stattdessen bringen sie auf dem kleinen Label Lok eine EP heraus, weil sie mit dessen Betreiber befreundet sind. Oder spielen auf Konzerten, die Freunde organisiert haben, ohne sich groß um die Gage zu kümmern. Mina transportieren damit ein authentisches Lebensgefühl über ihr symphatisches vier-Freunde-Image, das so weit jenseits allen Popstarglamours liegt, dass man die stets aufgeräumten Hotelzimmer förmlich vor sich sieht.
Mina machen Popmusik zwischen Rock und Disco – nicht mehr, nicht weniger. Ganz hilfreich sind da schon mal Lieblingsplatten von Freunden, die eigene Lieblingsband Yo La Tengo oder auch dieser eine DJ aus Köln, den sie neulich im WMF ziemlich gut gefunden haben.
Eine Band, die noch auf der Suche ist. Das zeigt sich live – wo manchmal der Übungsraum auf der Bühne zu stehen scheint, man sich gelegentlich wunderbar verspielt, aber immer sichtbar Spaß hat – genauso wie auf Platte. Charmant!
War das Debüt von Mina „Kryptonite“ noch eine Ansammlung locker verknüpfter Rock-Pop-Dance-Songs, so ist nun der Follower „A To B“ fast schon ein stringentes Album mit Masterplan geworden. Obwohl manche Melodien noch süßer als vorher sind, scheinen Mina ganz bewusst das Aneinanderreiben von Rock und Disco zu betonen. Norman: „Auf ‚Kryptonite‘ waren wir unzufrieden mit der Umsetzung unseres Livesounds auf Platte. Es mangelte an Aggressivität, die wir jetzt dazugewonnen haben.“
Am Ende des Tages geht es eben doch um Punk. Und alles liegt plötzlich ganz eng beieinander. Blondie, Flaming Lips, New Order, in diesem Koordinatensystem würden sich Mina bewegen, so Norman: „Es gibt für unseren Sound Vorläufer, die wir bislang gar nicht so sehr kannten. Im New Yorker Punk haben sie ja schon versucht, in Richtung Disco zu gehen. Da kamen die Bands aus einem bestimmten Kontext und brachen den dann. Wenn man sich mal Gang Of Four anhört und dann Spandau Ballet, das geht ja eigentlich ziemlich nahtlos ineinander über.“
Worte brauchen Mina übrigens auf „A To B“ wieder so gut wie keine. Nur in einem Song erklingt die Stimme von Masha. Warum das so ist, erklärt Masha mit einem schönen Satz, der wiederum Mina und ihre Musik am besten auf den Punkt bringt: „Es gibt bei uns eben zu viele Stücke, in denen es einfach nicht um den Gesang geht, sondern schlicht um die instrumentale Umsetzung von Popinhalten.“
ANDREAS HARTMANN
Mina spielen heute ab 21 Uhr mit Stereolab, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
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