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Cross-Culture und Cyberspace

Kondition erforderlich: Am Sonnabend beginnt das Musikfest  ■ Von Dagmar Penzlin

Ein Trip jagt den nächsten. Das diesjährige Musikfest lockt von diesem bis zum kommenden Sonnabend, dem 22. September, täglich in die Musikhalle. Ohne Kondition geht's also nicht, will man keine Expedition in neue Klangwelten verpassen. Alle Veranstaltungen stehen unter dem Motto „Welt – Raum“, wobei nicht nur der Kosmos an sich, sondern auch immer die Vielfalt unseres Planeten gemeint ist. Musikalisch spannt sich der Bogen von Werken der klassischen Moderne bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen und Improvisationen.

Das Festival beginnt gleich mit einem Frontalangriff auf die bürgerliche Konzertkultur, wenn das Absolute Ensemble am Sonnabend sein Deutschland-Debüt gibt. Die New Yorker schätzen ein Publikum, das applaudiert, wann es mag, und seine Meinung auch durch Zurufe kundtut. Hemmungslos verquirlt die elektroakustische Band klassische Musik mit Jazz, Rock-Arrangements und Zeitgenössischem, klingende Zutaten liefern beispielsweise John Adams, James Brown, Claude Debussy, Jimi Hendrix, Paul Hindemith, Conlon Nancarrow und Steve Reich; Ensemble-Gründer Kristjan Järvi nennt das „Cross-Culture“.

Karlheinz Stockhausen gehört da zwar einer ganz anderen Musikergeneration an, doch der 73-Jährige gilt nach wie vor als ein Pionier der Neuen Musik. In der nächsten Woche kommt der berühmte Komponist nach Hamburg, um an zwei Abenden gemeinsam mit dem Light Ensemble Teile aus seinem gigantischen Opernzyklus LICHT konzertant aufzuführen, der 2002 abgeschlossen sein soll. Die sieben abendfüllenden Stücke hat Stockhausen nach den Wochentagen benannt: Deren Bedeutung quer durch die Kulturen und Religionen bestimme den Inhalt der Opern. Drei allegorische Hauptfiguren besitzt das kosmisch-mythische Gesamtkunstwerk: den Engel Michael, das Urweib Eva und den Teufel Luzifer.

Am Dienstag steht „Freitag aus LICHT“ auf dem Programm, in dem es unter anderem um die Versuchung Evas durch Luzifer geht. Tags drauf dann eine Auswahl von Szenen aus LICHT, darunter auch die „Formel“, die wie ein genetischer Code das Klangmaterial des ganzen Mammutprojektes in sich trägt. Aus dieser Formel leitet Stockhausen die Unterformeln der drei Hauptfiguren ab, um aus ihrem Zusammenspiel den kompletten Zyklus zu entwickeln. Als „Papa der Techno-Generation“, wie sich der versierte Tüftler selbst einmal nannte, arbeitet er selbstredend auch hier mit Elektronik und Raumklangwirkungen. Vor beiden LICHT-Aufführungen gestaltet Stockhausen vom Mischpult aus jeweils Konzerte mit eigenen Elektronik-Stücken.

Strom verbrauchen wird auch die Installation Alien City am Freitag, 21.9., im Brahms-Foyer. Für gut sechs Stunden materialisiert sich eine virtuelle Stadt und bezieht dabei die realen Besucher mit ein. Passend zur „Langen Nacht des Fernwehs“ schürt die Installation die Sehnsucht nach dem Cyber-space. Sonst tritt während dieses Marathon-Ereignisses das renommierte ASKO-Ensemble zwei Mal auf und spielt Kompositionen von Claude Vivier, György Ligeti und Mauricio Kagel. Zwischendurch führt das Ensemble Oni Wytars sein Globetrotter-Stück Die Rückkehr des Marco Polo im Kleinen Saal der Musikhalle auf. An gleicher Stelle gastieren die Musikfest-Woche über noch andere Künstler: Der britische Pianist Rolf Hind präsentiert am Sonntag ein exquisites Recital mit Werken von Béla Bartók, Thomas Adès und Tristan Murail. Und am 22. September beschreitet dort sein russischer Kollege Simon Nabatov gemeinsam mit dem Schlagzeuger Han Bennink die verschlungenen Pfade der Improvisation.

Konventionellere Kost reichen die drei großen Hamburger Orches-ter. Ingo Metzmacher, künstlerischer Leiter des Musikfestes, dirigiert am Sonntag und Montag am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Edgard Varèses Arcana, die Vierte Sinfonie von Charles Ives und die Rückert-Lieder von Gustav Mahler. Die Hamburger Symphoniker dürften am 20. September mit The Planets von Gustav Holst ebenfalls den Nerv eines weniger experimentierfreudigen Publikums treffen, und das NDR-Sinfonieorchester lockt am 22. dann u.a. mit Igor Stravinkys Ballettkracher Le sacre du printemps.

Die ersten Termine: Eröffnungskonzert ( Absolute Ensemble ): Sa 20 Uhr; Philh. Staatsorchester : So 11 + Mo 20 Uhr; Rolf Hind : So 20 Uhr; Karlheinz Stockhausen : Di 20 Uhr („FREITAG“), Mi 20 Uhr (Szenen), elektr. Pre-Concerts: jeweils 17 Uhr; Max Nagl Quintett: 20.9. 10 Uhr; Hamburger Symphoniker : 20.9., 20.30 Uhr (ab 21.30 Uhr: „Welt-Raum-Lounge“, Brahmsfoyer); alles Musikhalle. Wird fortgesetzt, komplettes Programm unter www.hamburger-musikfest.de

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