Spreedreieck: Hochhaus fällt auf Berlin zurück
Der Bebauunsgplan für das Spreedreieck ist laut Gerichtsurteil illegal. Investor will dennoch sein zehnstöckiges Bürohaus erreichten. Dem Land drohen Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe.
Die Friedrichstraße ist ein teures Pflaster. Nun hat sich dort das Land Berlin verspekuliert. Erst verkaufte es dem Investor Harm Müller-Spreer neben dem Tränenpalast ein Baugrundstück, das in Teilen der Bahn AG gehörte. Um den Käufer zu besänftigen, wurde ein bis zu zehnstöckiger Neubau genehmigt. Doch den Bebauungsplan dafür hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) für ungültig erklärt. Das geht aus dem nun vorliegendem Urteil hervor. Wie Berlin ohne Entschädigungen in Millionenhöhe aus dem Schlamassel kommen soll, ist ein Rätsel.
Seit Februar 2007 bebaut Müller-Spreer das Gelände nördlich des S-Bahnhofs zwischen Friedrichstraße und Spreeufer. Die Planskizzen erinnern ein wenig an den Entwurf von Ludwig Mies van der Rohe, der bereits 1921 einen expressionistischen Glasturm für das Arreal vorgeschlagen hatte. Doch in der Nachbarschaft kommt der geschwungene Bürobau nicht gut an. Denn er soll zehn Meter über die in Berlin allgemein übliche Traufhöhe hinausragen. Das Melia-Hotel auf der anderen Seite der Friedrichstraße würde so verschattet.
Erst Ende 2006 war das Hotel fertig geworden. Dessen Bauherr hätte auch gern ein höheres Haus mit Glasfassade errichtet. Doch anders als Müller-Spreer musste er sich nach "langem Gewürge" an das "Schuhkartondenken" der Bauverwaltung halten, sagt Rechtsanwalt Martin Fleckenstein, der den Hotelerbauer vor Gericht vertritt. Das OVG habe die dunkle und abweisende Fassade des Spreedreieckbaus bemängelt, zitiert Fleckenstein aus dem 45-seitigen Urteil. Der Neubau habe eine "erdrückende Wirkung", notwendige Abstandsflächen seien nicht eingehalten worden. Nun sei das Land Berlin am Zug, sagt Fleckenstein. Es könne den Bebauungsplan erneuern. Das aber dauere Monate.
Doch die Zeit drängt. Denn Fleckenstein hat beim OVG auch einen Baustopp für Müller-Spreer beantragt. Mit einer Entscheidung rechnet er in Kürze. Ein Baustopp aber dürfte unweigerlich neue Entschädigungsforderungen von Müller-Spreer zur Folge haben.
So bleibt dem Land nur der Verhandlungsweg. Entweder es kann Müller-Spreer dazu bewegen, die geplante Bauhöhe zu reduzieren. Oder es muss den Eigner der Hotel-Immobilie dazu bringen, die bisherigen Pläne doch noch zu akzeptieren.
Zwar geben sich alle gesprächsbereit. Doch eine Lösung ist nicht in Sicht. Müller-Spreer will keinesfalls auf seine zehn Stockwerke verzichten. Er habe das Gebäude bereits komplett vermietet. "Ich will die Fläche bauen", so Müller-Spreer. Dann, erwidert Fleckenstein, müsse sich das Land Gedanken über eine finanzielle Kompensation für seinen Mandanten machen.
"Im Moment ist von einer Ausgleichszahlung noch nicht die Rede", sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die hauseigenen Juristen müssten das Urteil noch ausführlich bewerten.
Doch die Schlampereien der Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung können die Juristen nicht mehr ausbaden. "Erst konnte die Verwaltung das Grundbuch nicht lesen, dann war sie nicht in der Lage, das eigene Baurecht zu beachten", schimpft Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Schon als bekannt wurde, dass das Land dem Investor ein Grundstück verkauft hatte, das ihm nicht gehörte, habe Müller-Spreer 45 Millionen Euro Entschädigung gefordert, erinnert Esser. "Das wird heftig".
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