Bin ich Ami, bin ich Laden

Sozialdemokraten im Krieg: die Abschaltung des Restverstandes mit humanitärer Hilfe

Politik und Verstand finden medial nicht statt. Dafür werden Gefühle ausgestellt

Am 12. September 2001 war Peter Struck ein Amerikaner. Weil ihm dabei nicht recht wohl war, wollte er, dass alle anderen ebenfalls Amerikaner sein müssten. „Heute sind wir alle Amerikaner“, ächzte der glücklose Zuchtmeister der SPD. Hatte er eine Green Card gewonnen? Oder war es nur der ganz normale, habituelle Lug und Trug? Struck mag sich tatsächlich in den Wahn hineinhypnotisiert haben, er fühle sich als leidender Bürger der USA. Wenn er an diesem Mittwoch ein Amerikaner war, was war er am Donnerstag? Lybier? Und am Freitag? Nubier? Finne? Afghane? Vietnamese? Nigerianer? Nichts von allem – sondern immer nur der immergleiche, unteroffiziersdumme Sozialdemokrat Peter Struck.

Struck war nicht einzige, der sich aufführte, als sei die Friseuse Diana Spencer in Paris ein zweites Mal getunnelt worden. Auch seine Kollegen weideten die Angelegenheit medial aus. Stupide Technokraten konnten sich als Gefühlsmenschen deklarieren, und sie taten es in hysterischer Freude über die Gelegenheit. Der Abschiebeanthroposoph Otto Schily brachte die Hohlformel „unsere amerikanischen Freunde“ in MPi-Salven- Geschwindigkeit an den Mann, und Rudolf Ussama Bin Scharping freute sich ausnahmsweise, kein Medienthema zu sein. Tausende Amerikaner mussten sterben, damit der Hormonbomber Scharping weiter Kriegsminister sein darf. Sein Kanzler Gerhard Schröder, der an Scharping festhält, sprach beständig von einem Angriff auf „unsere zivilisierte Welt“. Eine Welt aber, die den Verteidigungsminister Rudolf Scharping duldet, gibt Zivilisation keine Chance.

Was ist Zivilisation? Wer repräsentiert sie? George Bush, dem die rechte Hand vom Unterzeichnen von Todesurteilen lahmt? Die Schläge gegen das World Trade Center, das Pentagon und das Weiße Haus verhelfen Bush zur Gelegenheit seines Lebens: Eine Knallcharge darf sich als Führer der freien Welt aufspielen, und keiner lacht. So gesehen war die Attacke gegen die USA ein echter Schlag ins Kontor.

Die Botschaft von New York ist klar: Es geht. Man kann, wenn man skrupellos genug dazu ist, zigtausendfachen und sogar den eigenen Tod in Kauf nimmt und also ein Drecksack de luxe ist, den führenden Drecksäcken richtig wehtun. Und ihnen deutlich machen, dass die Welt alles braucht, aber ganz sicher keine Supermacht. Diese Botschaft scheint deshalb nicht gut, weil sie von Leuten stammt, denen ein Menschenleben vielleicht sogar noch weniger wert ist als George Bush. Dennoch ist die Botschaft richtig.

Darüber wird nicht gesprochen. Politik und Verstand finden medial nicht statt. Gefühle werden ausgestellt, und da gilt: Je weniger einer hat, desto mehr muss er vorzeigen. Gefühle kann man erzeugen, steuern und mobilisieren. Erst heißen sie Trauer und Verzweiflung, dann Rache und Vergeltung. Wer etwas von der Psychologie der Massen weiß und sie nicht für seine Zwecke ausbeuten will, müsste sich hier also zurückhalten. Nicht immer nur das eine Bild zeigen, zu dem „unsere pluralistische Medienlandschaft“, wie der Schleim sich nennt, fähig ist. Sondern sich der Mühe des Wissens und Begreifens unterziehen. Seine Tränen, so man welche dafür hat, für sich behalten. Den Kopf benutzen. Und zur Sicherheit einen Zweizeiler parat haben: Ich kann die Fernsehflennerei nicht leiden. / Wer heulen will, soll Zwiebeln schneiden.

Man ist kein Zyniker, wenn man kühl bleibt angesichts einer Sache, die einen persönlich wenig, politisch aber einiges angeht. Ein Zyniker ist man, wenn man sagt: „Heute sind wir alle Amerikaner.“ Ich war kein Amerikaner und werde auch keiner sein. Peter Struck übrigens auch nicht, aber der Mann ist Sozialdemokrat, also in Friedenszeiten entschieden gegen und in Kriegszeiten mit großem Bedauern sehr für den Krieg. Rudolf Scharping, der Irre aus Lahnstein, singt frei nach Petar Radenkovic: „Bin ich Rudi, bin ich König, bin ich Ami, bin ich Laden.“

Die paar Handvoll jubelnde Palästinenser, die man wieder und wieder zu sehen bekommt, um – ohne zu wissen, wo und wann die Bilder aufgenommen wurden – alle Palästinenser zu präjudizieren und richtig schön billig hassen zu dürfen, sind wahrscheinlich nicht restlos repräsentativ. Sie erinnern aber an die alte Regel, dass arme Schweine sehr leicht eben auch Schweine sind. Solange daran nichts geändert wird, so lange ändert sich nichts. WIGLAF DROSTE