piwik no script img

Eskimo-Rolle mit Riverboogie

■ Fast ein arktisches Vergnügen: Mit dem Kajak auf der Alster

Die Alster ist nicht die Arktis, und Hamburger sind keine Eskimos. Aber ab und an, im Herbst, wenn die Temperaturen stetig sinken, versetzt sich der leidenschaftliche und geschichtsbewusste hanseatische Kajakfahrer in die Haut der Inuit. Dann paddelt er sitzend in dem geschlossenen Boot die Als-terläufe entlang, atmet viel frische Luft und stellt sich vor, wie sich früher die arktischen Jäger im Kajak an Fischschwärme, Seehunde und Karibus heranpirschten.

In Europa gab und gibt es Kajakfahren nur als Wassersport. Veteran Werner Scheer (70) von den „Overfreunden“ fährt seit 50 Jahren. „Ein Holzgerüst mit Gummihaut“, so beschreibt Scheer das Faltboot, den Vorgänger des modernen Kajaks. Per Bahn fuhr man in Gruppen in die Berge und Wälder zum Flusswandern, paddelte ein „paar Tage, paar Wochen“ in fließenden Gewässern, legte an zum Zelten, wanderte, kletterte, saß am Lagerfeuer und grillte frische Fische.

Heute heißen die schnittigen Kajak-Modelle „Chopper“ oder „Riverboogie“ und bestehen aus GFK (Glasfaserkunststoff) oder Carbon-Kevlar. Das Vergnügen der Kajakfreunde an den natürlichen Verkehrswegen und die Freude an der Gemeinschaft schmälert das nicht. Proviant und Gepäck werden im Stauraum der Wanderboote wasserdicht verschlossen, besonders Gesellige fahren im Zweierkajak.

Wer die Aufregung liebt oder gar die Idylle scheut, fährt Wildwasser oder Rodeo in den Bergen. Letzteres ist eine spielerische Disziplin auf wilden, felsigen Flussstrecken. Die „Moves“ heißen Flatspin, Wavewheel oder Clean 360 – waghalsige Kunststücke mit dem Kajak, nur für Profis, versteht sich. Genauso wie die kürzlich beendete Atlantiküberquerung von Peter Bray. In seinem 7,30 Meter langen Kajak brauchte der Brite 75 Tage und 4800 einsame Kilometer dafür.

An solch merkwürdige Expeditionen verschwendet Carolin keine Gedanken. Schön sei es, einfach auf dem Wasser zu sein. Seit zwei Jahren paddelt sie mit Schwimmweste trotz Freischwimmer im Mini-Kajak. Am schwierigsten sei das Geradeausfahren. Sich über Wasser zu halten sei dagegen kein Problem, meint die 10-Jährige, wirft ihr Doppelblattpaddel an Land und krabbelt aus der kleinen Einstiegsluke an den Steg.

Überhaupt freuen sich die Wassersportvereine über neue Mitglieder, der Monatsbeitrag variiert für Jugendliche zwischen 8 und 16 Mark, für Beratung, Boote und Ausrüstung ist gesorgt. Auch die Eskimo-Rolle, eine Technik, bei der man zwar nass wird, aber ein gekentertes Boot ohne auszusteigen wieder aufrichten kann, wird trainiert– im Schwimmbad.

Mike Liem

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen