: Kein Frieden in Algerien
Attentate radikaler Islamisten nehmen zu: Pessimistische Bilanz von zwei Jahren „Versöhnungspolitik“
ALGIER afp/taz ■ Die Angriffe bewaffneter Islamisten in Algerien dauern trotz der Versöhnungspolitik der Regierung von Präsident Abdelaziz Bouteflika an und fordern immer mehr Opfer. Gestern meldeten die Sicherheitsdienste die Ermordung von sieben Menschen auf einer Straße 40 Kilometer östlich der westalgerischen Stadt Oran. Erst am 8. September hatten bewaffnete Gruppen beim Ölhafen Arzew in der Nähe Orans eine Trauergemeinde angegriffen und 13 Menschen massakriert.
Am 16. September 1999 hatten Algeriens Wähler in einer Volksabstimmung der Politik Bouteflikas zugestimmt, islamistischen Rebellengruppen eine Amnestie zu gewähren, wenn sie den Kampf einstellen. Etwa 6.000 Islamisten hatten davon Gebrauch gemacht, und eine Zeit lang sprach Algeriens Militär davon, der „Terrorismus“ sei besiegt. Die „Beewaffneten Islamischen Gruppen“ (GIA), die die Versöhnungspolitik ablehnen, haben jedoch seit September 1999 nach einer offiziellen Bilanz 5.000 Menschen getötet. Anfang dieses Monats kam es zum ersten Mal seit zwei Jahren zu Anschlägen in der Nähe der Hauptstadt Algier. Nicht verstummen wollen allerdings auch Stimmen von Exilalgeriern, die hinter der GIA die Hand gewisser Kreise aus dem Militär sehen, welche damit einen Verlust ihres Einflusses bei einem Ende des Bürgerkrieges verhindern wollten.
Nach dem Anschlag bei Arzew am 8. September behauptete Innenminister Yazid Zerhouni, es seien nur noch 500 bis 600 Islamisten in Algerien aktiv. Doch ein nicht identifizierter „hoher Verantwortlicher“ der Regierung sagte danach der Oraner Zeitung Quotidien d’Oran: „Wir müssen noch lange mit dem Terrorismus leben.“ Das algerische Staatsfernsehen hat begonnen, erneut die Bürger vor möglichen Bombenattentaten zu warnen.
Die Presse in Algier zieht eine pessimistische Bilanz der Versöhnungspolitik. „Noch nie seit 1997 herrschte so viel Unsicherheit“, schreibt Le Matin, während El Watan meint: „Das Schlimmste ist zu befürchten“, denn die Islamisten hätten amnestierte Kämpfer neu rekrutiert und ihre Reihen aufgefüllt.
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