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Sudan hofft auf US-Wohlwollen

Die Militärregierung in Khartoum lobt den „weichen Ton“ der USA nach den Anschlägen von New York. Sie hofft, diesmal nicht wie vor drei Jahren Opfer von US-Gegenschlägen zu werden. Mit Ussama Bin Laden will sie nichts mehr zu tun haben

von DOMINIC JOHNSON

Die Regierung des Sudan hat besonderen Grund, die Reaktionen der USA auf die Terroranschläge vom 11. September genau zu verfolgen. 1998, als Anhänger des saudischen Millionärs Ussama Bin Laden die US-Botschaften in Kenia und Tansania in die Luft sprengten, war Sudan hinterher zusammen mit Afghanistan Ziel von US-Luftangriffen.

Heute sei Sudan kein Ziel für die USA mehr, sagte Staatspräsident Omar al-Baschir am Dienstag. Vizepräsident Ali Osman Taha lobte auf einer öffentlichen Kundgebung sogar das, was er den „neuen, weicheren Ton“ der USA gegenüber dem internationalen Terrorismus nannte. „Wir haben nichts zu befürchten, und es gibt keine Organisation im Sudan, ob offiziell oder nicht, die mit den Ereignissen in den USA etwas zu tun hat“, so Taha. „Den USA steht frei, so zu reagieren, wie sie es für richtig halten, aber ich erwarte keinen wahllosen Krieg.“ Am Montag bot Sudans Außenminister Mustafa Osman Ismail seinem US-Amtskollegen Colin Powell telefonisch Zusammenarbeit gegen den Terrorismus an.

Sudans Optimismus basiert darauf, dass die US-sudanesischen Beziehungen sich seit dem Amtsantritt von George Bush im Januar langsam erwärmen. Im US-Außenministerium wird über eine neue Friedensinitiative nachgedacht, die den 18 Jahre langen Bürgerkrieg im Süden des Landes zwischen Regierung und der Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) beenden soll, den US-Außenminister Colin Powell im März als „größte Tragödie der Welt“ bezeichnete. Am 6. September ernannte die US-Regierung den Exsenator John Danforth zu ihrem Sudan-Sonderbeauftragten. Bush sagte dazu: „Die Verantwortung, den Krieg zu beenden, liegt bei Sudans Regierung. Sie muss Frieden suchen, und wir wollen dabei helfen.“

Ein im Juni vom US-Repräsentantenhaus verabschiedetes Gesetz, das Ölfirmen Sanktionen androht, wenn sie weiter in Sudan Öl fördern und damit finanziell die Regierung stützen, wurde im Senat auf Druck der Regierung entschärft: Die Ölfirmen müssen nun nicht mehr mit dem Entzug ihrer Zulassung an US-Börsen rechnen.

Ganz rosig sind die Beziehungen aber nicht. Eine für Donnerstag letzter Woche vorgesehene Abstimmung im UN-Sicherheitsrat, um die letzten Sanktionen gegen Sudan wegen Unterstützung des internationalen Terrorismus aufzuheben, wurde nach den Anschlägen auf US-Wunsch abgesagt. Ganz sicher ist sich niemand, ob Sudan nicht doch ein Stützpunkt für Bin Ladens Aktivitäten und damit Ziel für US-Vergeltung sein könnte. Die deutsche Lufthansa setzte am 15. September ihre Sudan-Flüge bis zum 1. Oktober aus, und die malaysische Ölfirma Petronas hat begonnen, ihre Mitarbeiter aus dem Sudan zu evakuieren.

Bin Laden hatte sich Anfang der 90er-Jahre im Sudan niedergelassen. 1996 wurde er mit 3.000 seiner Kämpfer hinausgeworfen. Nach Angaben von Präsident Baschir vom Dienstag wurden damals auch Bin Ladens Unternehmensbeteiligungen im Sudan liquidiert. „Er hat noch ein kaputtes Flugzeug am Flughafen“, so der Präsident. Ob Bin Laden noch Bankguthaben im Sudan habe, wisse er nicht.

Auch anderswo in Ostafrika geht die Sorge um mögliche Verbindungen Bin Ladens um. Unter den in den USA zwecks Befragung wegen der Terroranschläge Festgenommenen ist auch der Sohn eines Parlamentsabgeordneten in Kenia, berichtete die kenianische Zeitung Nation gestern. Der Abgeordnete, der nicht genannt wurde, vertritt einen Wahlkreis in Kenias Nordosten – eine von Somalis bewohnte Region, die notorisch ist für Waffenschmuggel und unkontrollierte Aktivitäten militanter Gruppen.

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