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Thailand besinnt sich

Ein thailändisches Filmepos für die geistig-moralische Wende: Suriyothais später Kampf gegen den Drogenkonsum und die „over-sexed Society“

Thailand ist im Suriyothai-Fieber! Alles redet von dieser neuen königlichen Heldin des thailändischen Mittelalters. Ihre Schönheit und Aura zieren nicht nur Filmplakate, sondern auch die Titelblätter von Magazinen und Zeitungen, Briefmarken und Bierdosen. Schon vor seinem Kinostart hat Thailands erster Monumentalfilm alle Rekorde gebrochen: Es ist der teuerste und mit drei Stunden und fünf Minuten (!) längste Streifen, der hier jemals produziert worden ist. Bereits drei Jahre vor Beginn der Dreharbeiten wurde mit dem Schneidern von historischen Kostümen begonnen. Zweitausend Statisten, fünfzig Elefanten und siebzig Pferde bewegen das Schlachtengetümmel auf der Leinwand.

Suriyothai kennt in Thailand jedes Kind. Ihr Epos spielt vor mehr als 450 Jahren, als sich die damalige Hauptstadt Ayutthaya erbitterte Kämpfe mit Burma lieferte. Die tapfere Königin – gespielt von der wunderschönen Piyapas Bhiromphadki – legte sich eine Rüstung an und ritt auf ihrem Elefanten neben ihrem Gatten in den Krieg. Als einer der Gegner den König bedrohte, ging die 35-jährige Heldin dazwischen und gab ihr Leben für das ihres Mannes. Historiker kritisieren, dass sich in der Geschichte keine Quellen finden lassen, ob Suriyothai tatsächlich 1548 oder 1549 auf diese Weise gestorben ist. Schließlich wurde der Kampfbericht ja auch erst 1855 – also dreihundert Jahre später – aufgezeichnet.

Wichtiger sind natürlich ganz andere Aspekte: Mindestens 500 Millionen Baht (zirka 25 Millionen Mark) soll „Suriyothai“ einspielen und als erster Thaifilm den Sprung nach Europa und Amerika schaffen! Für Thailand jedenfalls gehen die Produzenten davon aus, dass er auf jeden Fall den bisher größten Kinohit „Titanic“ (213 Millionen Baht) versenken kann. Schließlich hat Regisseur Chatri Chalerm Yugala ja auch ein Meisterwerk geschaffen: Fünf Jahre lang hatte sein Team für dieses historische Filmepos geforscht, immerhin noch halb so lang dauerten die Dreharbeiten. Rund 400 Millionen Baht Produktionskosten hat „Suriyothai“ verschlungen und damit wesentlich mehr als „Bang Rajan“ – ebenfalls ein Historienfilm, der schon vor Monaten wochenlang die Kinos füllte. Star dieses brutalen Streifens war ein gewaltiger Wasserbüffel mit einer Hörnerspannweite von über zwei Metern, der als Heldenreittier zur Verteidigung eines tapferen Dorfes gegen die Übermacht des burmesischen Erbfeinds eingesetzt wurde.

Auch Touristen und in Thailand lebende Ausländer strömen nun in die Kinos und nutzen die Gelegenheit, durch „Suriyothai“ etwas über die Geschichte ihres Gastlandes zu lernen – was sie sonst allenfalls anhand der historischen Seiten ihrer Reiseführer tun. Teilweise haben sie aber auch gar keine andere Wahl: In den größten und modernsten Kinocentern des Landes läuft der Streifen – ohne Synchronisation – gleichzeitig in allen Kinosälen, wo sonst mindestens auch ein bis zwei westliche Produktionen über die Leinwand flimmern! Da drängt sich ja fast schon der Verdacht eines Sendungsbewusstseins auf.

Tatsächlich erscheint „Suriyothai“ nun schon als zweiter kineastischer Versuch, das thailändische Volk mit einer geistig-moralischen Wende und Nationalstolz zu beglücken. Die neue Regierung des Medienmilliardärs Thaksin Shinawatra ist es, die derartige Akzente setzt – und das sogar im legendären Nachtleben Thailands: Nach den neuesten Verordnungen, die mit alten Gesetzen aus den Sechzigerjahren begründet werden und angeblich auf den ausufernden Drogenkonsum der Jugend, die Kriminalität oder die „over-sexed Society“ schlechthin zielen, müssen sämtliche Vergnügungs-Etablissements landesweit nun schon um zwei Uhr schließen. Das wird ungewohnt rigoros durchgesetzt. Selbst in der international berühmt-berüchtigten Nightlife-City Pattaya, wo neuerdings ganz pünktlich sämtliche Lichter abgedreht werden. In Bangkok kann es vorkommen, dass bereits vor Mitternacht kein Alkohol mehr ausgeschenkt wird. Und am stellvertretenden Polizeichef der Hauptstadt wurde gleich mal ein Exempel statuiert: Weil eine Bar im Vergnügungsviertel Patpong die neue Sperrstunde überschritt, verlor er kurzerhand seinen Posten!

Wer hätte gedacht, dass der alte und immer wieder gern gespielte Hit „One Night in Bangkok“ derart schnell an Bedeutung verliert? Da wird sich so mancher Tourist fragen, warum er denn überhaupt noch nach Thailand fliegt. Na ja – vielleicht etwa, um eine Nachtvorstellung von „Suriyothai“ zu besuchen . . . Denn, dass der Streifen tatsächlich bis nach Europa oder Amerika gelangt, ist ausgesprochen fraglich. Zwar wären die Staffage, die Hintergrundbespielung und vor allem die Massenszenen zum Ende dieses Films fast schon einen Oscar wert. Doch kommt „Suriyothai“ fast gänzlich ohne Sexszenen oder Computeranimation aus – und das dürfte wohl kaum noch den Geschmack westlicher Kinogänger treffen.

VOLKER KLINKMÜLLER

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