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Guts Nächtle

Ronald Schill hat es schon nach zwei Jahren geschafft: Süddeutsche Zustände in Hamburg  ■ Von Peter Ahrens

Wir schreiben das Jahr 2003. Oberschultheiss Ronald Schill ist nach zwei Jahren am Ziel. Hamburg ist hübsch, Hamburg ist sauber, Hamburg ist süddeutsch.

Man habe jetzt auch die letzten Spurenelemente an Kriminalität im Griff, rühmt der Schillronald, der seinen Regierungssitz in den Hamburger Süden nach Spadenland verlegt hat, vor der gesammelten Hamburger Presse (Bild,Bayernkurier, Passauer Neue Nachrichten, Auto-Bild): Vereinzelt gebe es noch Wirtshausraufereien in Folge der beliebten Fingerhakel-Wettbewerbe. Aber die Beertent-Marshals sorgten „mit dem nötigen Nachdruck“, wie Schill augenzwinkernd scherzt, schnell dafür, dass wieder Ruhe einkehrt.

Schill hatte zuvor zahlreiche Ehrengäste und andere Spezeln zum traditionellen Lothar-Matthiae-Mahl in den Spadenlander Herrgottswinkel eingeladen. Bei Maultaschen und Ofenschlupfern lädt das Stadtoberhaupt wieder zum „Anzapfen“. Die Bundeswehr spielt den Defiliermarsch.

Kultursenatorin Maria Hellwig, nach der großen Senatsreform auch zuständig für Wirtschaft, Lüftlmalerei und den FC Bayern, wird am kommenden Dienstag Ehrengast bei der Premiere des mit Spanung erwarteten Stückes: „Der Brandner Kasper“ in der Inszenierung von Theater-Rebell Karl Moik im Schauspielhaus sein. Anschließend wird zum Schill-In ins Wollenberg geladen. Im VIP-Bereich gibt es Handkäs mit Musik.

Schill erwartet derweil das diplomatische Corps zum Bierempfang. Konsuln und Doyens aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und 30 anderen Ländern machen Hamburg ihre Aufwartung. „Hamburg ist eine weltoffene, liberale Stadt“, machte Schill bei dieser Gelegenheit deutlich. So sei es erfolgreich gelungen, Menschen aus Hannover und Lübeck in den Problemvierteln Altona und St. Pauli zu integrieren. Man könne, so deutete der in der Boulevard-Presse liebevoll als „Märchenkönig“ titulierte Stadtregent, gar darüber nachdenken, ihnen das kommunale Wahlrecht zu verleihen. Er werde darüber demnächst mit Gesundheitssenator Hans-Wilhelm Müller-Wohlfarth brotzeiteln. Müller-Wohlfarth muss seine Einwilligung geben, weil seine Behörde den Zwangsalkoholtest bei allen Saupreißen, wie die Zugereisten im Amtsdeutsch heißen, durchführt. Nur wer einen Wert von 1,4 überschreitet, erhält eine vorübergehende Duldung.

Und nicht vergessen: Ab Montag ruft Innensenator Rudolph Mooshammer wieder zur Kehrwoche auf. Auf gehts, Buam.

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