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Bilder ohne Strom

Nach der Zerstörung des World Trade Centers ist auch die Zukunft des Lower Manhattan Cultural Council sehr ungewiss. Wie geht es weiter in der Kunstmetropole New York? „Please join us as we rebuild as a community“ – so wird in aktuellen Galerie-Einladungen auf das Unglück verwiesen

Die Fotografin und Videokünstlerin Naomi Ben Shakar ist eine von 17 „World View“-Stipendiaten des Lower Manhattan Cultural Council, deren Werke durch die Katastrophe des 11. September zerstört wurden. In den vom LMCC zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten im 92. Stockwerk des World Trade Centers arbeitete sie an einem Filmprojekt, das eine nächtliche Versammlung in ihrem verdunkelten Atelier hoch über Manhattan zeigte. Die Besucher trugen auf ihren Köpfen Lampen, die mit dem funkelnden Lichtermeer der Stadt unter ihnen konkurrierten.

Ben Shakars Arbeiten sind ebenso unwiederbringlich verloren wie die ihrer jungen Kollegin Geraldine Lau aus Singapur, die riesige Wandzeichnungen amorpher Landkarten anfertigte, auf denen abstrahierte Vorstädte aus der Vogelperspektive zu sehen sind. Unter den Stipendiaten war erstmals auch ein Schriftsteller. Moukhtar Kocache, Director of Visual & Media Arts des LMCC, hatte sich dafür entschieden, den Jungautor Jeff Bayles einzuladen, weil er sich in seinen Schriften kritisch mit Architektur und Stadtplanung auseinander setzt. „Eines der Auswahlkriterien für das Stipendium war sicher auch die Analyse der ‚corporate culture‘ Amerikas, die durch dieses Gebäude repräsentiert wurde“, so Kocache.

Liz Thompson, Executive Director des LMCC, befand sich am Morgen des 11. September bei einem Geschäftsessen im 107. Stock des World Trade Centers. Am Fuße des WTC sollte morgens die Bühne für die David Parson’s Dance Company aufgebaut werden, deren Auftritt am selben Abend im Rahmen der „Evening Star Series“ des LMCC geplant war. Bis auf den jungen jamaikanischen Maler Michael Richards gelang es allen Beteiligten, heil aus dem brennenden Gebäude zu fliehen. Auch acht Maler von Stadtansichten, die oft sehr früh ihre Ateliers aufsuchten, für den Sonnenaufgang über Manhattan, blieben als Stipendiaten des LMCC unversehrt.

Für die nächste Vergabe der begehrten Stipendien stapelten sich am Tag der Katastrophe bereits 600 Bewerbungen auf Thompsons Schreibtisch. Für sie ist es jetzt noch zu früh, darüber zu beraten, wie es weitergehen soll: „Künstler und Angestellte des LMCC trafen sich bislang nur, um einander zu umarmen.“ Seit Ende 1997 förderte der Besitzer des WTC, die Port Authority of New York and New Jersey, die Vergabe von Künstlerstipendien in ihrem Gebäude. Eben hatte man begonnen, sich nach neuen Sponsoren umzusehen, da die Port Authority nur wenige Wochen vor dem Crash das gesamte WTC für 3,2 Milliarden Dollar an Silverstein Properties und Westfield America geleast hatte. Kocache nimmt sich indes anderer Probleme an. „Wir müssen jetzt neu definieren, welche Rolle Kunst in der heutigen Gesellschaft übernehmen kann – auch bei dem Versuch eines allmählichen Heilungsprozesses.“

Südlich der Canal Street, in dem vom übrigen Manhattan am 11. September abgeriegelten Katastrophengebiet, existieren etwa 50 Museen, 26 davon in unmittelbarer Nähe zu Ground Zero – dort, wo das WTC stand. Das South Street Seaport Museum etwa oder das National Museum of the American Indian im alten Zollhaus am Battery Park, wo einst der Schriftsteller Herman Melville arbeitete. In einem Gespräch mit der Washington Post hat Ed Abel, Präsident der American Association of Museums, umfangreiche Soforthilfe zugesagt. Nicht nur, dass viele Museen weiter ohne Strom sind. Historisch wichtige Gemälde, Objekte und Dokumente können durch die immer noch zahlreichen Staubpartikel in der Luft dauerhaft beschädigt werden. Um eine schnelle Lösung bemüht sich jetzt ein Krisenstab.

Ohne Zuwendungen muss die Galerienszene in Soho und Tribeca langsam wieder auf die Beine kommen. Wie Uscha Pohl von UP & CO wurden viele Galeriebesitzer nach dem Einsturz des WTC aus ihren Räumlichkeiten evakuiert. Seit letzter Woche werden wieder Einladungen für die verschobenen Vernissagen eingetütet. Michelle Lopez’ „Adventures in the Skin Trade“ eröffnete am 22. September bei New Yorks Stargalerist Jeffrey Deitch. „Please join us as we rebuild as a community“ – so wird in der Einladung auf das Unglück verwiesen. THOMAS GIRST

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