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Mehr Polizei, mehr Verfassungsschutz

■ Bürgerschaft reagiert auf Terror in den USA: Fünf Millionen Mark und 30 neue Stellen für innere Sicherheit

Die Attentate in den USA bringen jetzt auch mehr Geld und Personal für die innere Sicherheit in Bremen. Nach dem US-Kongress und dem Bundestag bewilligte gestern auch die Bürgerschaft mehr Mittel zur Verfolgung von Terroristen und zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. SPD und CDU stimmten in einer emotionalen Debatte zusätzlichen fünf Millionen Mark und 30 neuen Polizeianwärtern zu. Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz werden bis zum Jahr 2003 von Personaleinsparungen ausgenommen. Der Verfassungsschutz, der in den letzten Jahren von 80 auf 35 Stellen geschrumpft ist, soll jetzt in „notwendigem Umfang“ ausgestattet werden. „Erforderlichenfalls werden zusätzliche Mittel im Haushalt zur Verfügung gestellt.“

Nur die grüne Opposition stimmte dagegen. „Ich werde die Bilder aus den USA mein Leben lang nicht vergessen“, sagte ein bewegter Matthias Güldner von den Grünen. Aber bei erhöhten Repressionen habe er „Bedenken, ob wir nicht noch mehr Terror provozieren.“ Er forderte Innensenator Böse auf, erst nachzuweisen, wofür die zusätzlichen Mittel überhaupt gebraucht würden: „Sie tun so, als ob sie die Schwachstellen in den Behörden schon kennen würden.“ Erst sei eine eingehende Analyse nötig. Güldner: „Es erhöht die Sicherheit nicht, Geld und Personal in nicht funktionierende Einheiten zu stecken.“ Insbesondere beim Verfassungsschutz sei eine umfassende Reform notwendig.

Innensenator Kuno Böse (CDU) begrüßte die erhöhte Mittel- und Personalausstattung für sein Ressort: „Auch in Bremen haben wir lange die Sicherheitssituation unterschätzt.“ Nach den Wahlen in Hamburg, bei denen der Rechtspopulist Ronald Schill fast 20 Prozent der Stimmen eingefahren hatte, sei er „in Sorge, dass sich die Bürger nicht mehr von uns vertreten fühlen.“ Und dann schlug der Senator gegen den zukünftigen Koalitionspartner der Hamburger CDU – seine eigene Partei: „Wir haben den Auftrag, dass die Bürger den Rattenfängern von rechts nicht folgen!“ Schill hatte den Erdrutschsieg praktisch nur mit dem Ausschlachten des Themas innere Sicherheit errungen.

Böse will in Innendeputation und Haushaltsausschuss nachweisen, wofür genau er die zusätzlichen Mittel verwende. Derzeit leisteten die Beamten tausende Überstunden. Zudem sei der Verfassungsschutz in naher Zukunft nicht mehr funktionsfähig, wenn, so Böse, „Mitarbeiter ausscheiden und nicht mehr ersetzt werden“.

Auch der Passus im Dringlichkeitsantrag von SPD- und CDU-Fraktion, der „militärische Beiträge“ Deutschlands im Rahmen der Nato zur Bekämpfung des Terrorismus begrüßt, war umstritten. Teile der Grünen sowie fünf SPD-Abgeordnete lehnten ihn ab. Anja Stahmann von den Grünen betonte ihre Angst, „dass die Politik abrutscht. Militärisches Eingreifen ist selten begrenzt, die Zivilbevölkerung immer mit betroffen.“ Für diese „ethischen“ Überlegungen hatte SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen in seiner mit viel Beifall bedachten Rede Verständnis gezeigt.

„Den 99,9 Prozent der Moslems, die sich den Frieden wünschen, müssen wir die Hand reichen und dafür die umso deutlicher bekämpfen, die unsere freiheitlich demokratische Grundordung mit Füßen treten“, sagte CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff.

Dabei ginge es nicht um einen „Kampf der Kulturen“, betonte Böhrnsen. „Die Mörder sind keine Freiheitskämpfer, sie haben kein Recht, sich auf ihre Religion zu berufen.“ Den Tätern und ihren Hintermännern müsse man entgegen-treten. Aber, so Böhrnsen: „Wir wollen keine Ängste schüren. Dies ist kein Notprogramm.“

Böhrnsen forderte, jetzt auch verstärkt auf Prävention und Integration zu setzen: „Wir müssen ein modernes Zuwanderungsgesetz beschließen.“ Mehr Geld für die Innenbehörden schaffe nicht automatisch mehr Sicherheit. Böhrnsen: „Auch CIA und FBI habe die Anschläge nicht verhindert.“

Kai Schöneberg

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