: Afghanistan im US-Fadenkreuz
23 „terroristische Trainingslager“ und Taliban-Stellungen werden als Angriffsziele identifiziert. Diplomatie auf Hochtouren: Rumsfeld besucht Saudi-Arabien und Usbekistan, Tony Blair fliegt nach Pakistan. Bürgerkrieg in Afghanistan weitet sich aus
BERLIN afp/dpa/ap/rtr ■ Die US-Nachrichtendienste haben 23 „terroristische Trainingslager“ in Afghanistan als mögliche Angriffsziele identifiziert. Wie die Washington Times gestern unter Berufung auf Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums berichtete, liegen die Lager in Nord- und Südafghanistan sowie nahe der Hauptstadt Kabul und der Städte Dschalalabad und Chost im Osten. Ferner seien eine Reihe kleiner Flugzeuge, Panzer und Luftabwehrstellungen der herrschenden Taliban-Miliz als Ziele für US-Militäroperationen bestimmt worden.
Die USA haben inzwischen um Afghanistan die größte Streitmacht seit dem Golfkrieg 1991 zusammengezogen. Noch am Dienstag hatte das Pentagon die Einberufung weiterer 2.263 Reservisten angeordnet. Damit steigt deren Gesamtzahl auf mehr als 22.400.
Angesichts des angedrohten Militärschlags gegen Afghanistan verstärken die USA und Großbritannien aber auch ihre diplomatischen Bemühungen in der Golfregion. Der britische Premier Tony Blair wird laut pakistanischer Regierungskreise morgen in Islamabad erwartet. Blair habe um den Besuch gebeten.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld reiste gestern in den Nahen Osten und nach Usbekistan. Vor seinem Abflug nach Saudi-Arabien sagte Rumsfeld, dass er die dortige Führung nicht um die Nutzung der US-Militärbasen im Land bitten wolle, sollte es zu einem Vergeltungsschlag gegen Afghanistan kommen. „Wir respektieren die Situation der Länder in der Region und verstehen sie“, fügte er hinzu. Saudi-Arabien hatte Vorbehalte gegen die Benutzung von Stützpunkten auf seinem Gebiet für Angriffe gegen andere islamische Länder angemeldet.
Rumsfeld wird Ende der Woche auch in der zentralasiatischen Republik Usbekistan erwartet. Dort haben nach Angaben aus usbekischen Sicherheitskreisen US-Fallschirmjägerkommandos an der Grenze zu Afghanistan Peilsender aufgebaut, um US-Flugzeugen eine Orientierung bei erwarteten Angriffen gegen die Taliban zu geben.
Nach Angaben des Pentagons haben die USA auch mit der Verlegung eines verstärkten Bataillons der 10. Gebirgsdivision nach Usbekistan und dem Nachbarstaat Tadschikistan begonnen.
Derweil hat sich in Afghanistan der Bürgerkrieg auch auf das Landesinnere ausgeweitet. Die Nordallianz rückt nach eigenen Angaben in der Provinz Ghor vor. In der Nachbarprovinz Faryab machten dagegen die Taliban Gewinne, so die in Pakistan ansässige afghanische Nachrichtenagentur AIP gestern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen