: Britische Regierung: Okay für Atomfabrik
MOX-Anlage in Sellafield genehmigt – trotz Anfälligkeitder Plutoniumwirtschaft für terroristische Anschläge
DUBLIN taz ■ Wenn es um Geld für die britische Wirtschaft geht, spielt die Sicherheit vor terroristischen Anschlägen für Premierminister Tony Blair keine Rolle mehr. Seine Regierung gab der unfallträchtigen Atomanlage Sellafield im Nordwesten Englands vorgestern grünes Licht für die Wiederaufarbeitung von Mischoxidbrennstäben (MOX) – und damit auch für den weltweiten Handel mit Plutonium, einem Hauptbestandteil der Brennstäbe.
Dan Plesch vom Royal United Services Institute sagte: „In der derzeitigen internationalen Situation ist das eine rücksichtslose Entscheidung – es ist unglaublich. Das steht in Widerspruch zu Blairs Vision, die Gelegenheit zu nutzen und eine neue Welt zu bauen.“ Frank Barnaby vom Internationalen Institut für Friedensforschung in Stockholm warnte, es sei unausweichlich, dass Terroristen in den Besitz von Plutonium gelangen.
Stephen Tindale, Geschäftsführer von Greenpeace, sagte: „Die Ausdehnung des globalen Handels mit Plutonium ist gefährlich und verantwortungslos. Die Regierung ist offenbar wild entschlossen, Sellafield bedingungslos zu stützen, selbst wenn das bedeutet, dass Plutoniumschiffe wie Zielscheiben auf den Weltmeeren herumkurven.“
Die irische Regierung will Britannien vor dem Europäischen Gerichtshof und notfalls vor den Vereinten Nationen verklagen. Der irische Staatssekretär Joe Jacob: „Ich kann es kaum fassen. Man sollte annehmen, dass über diese Energiequelle in Anbetracht der Ereignisse ernsthaft nachgedacht wird.“
Die MOX-Anlage ist bereits seit fünf Jahren betriebsbereit, lief jedoch nicht, weil das britische Atomanlageninspektorat der Betreiberfirma von Sellafield, British Nuclear Fuels (BNFL), „systematische Managementfehler und Dokumentenfälschung“ vorgeworfen hatte. Nach europäischem Recht muss eine Atomanlage wenigstens profitabel sein, wenn sie schon die Umwelt radioaktiv verseucht. Die britische Umweltministerin Margaret Beckett sagte, die MOX-Anlage werde 150 Millionen Pfund Profit im Jahr machen.
Martin Forwood von der Anti-Atomorganisation Core warf ihr „Voodoo-Ökonomie“ vor: Die Anlage sei nur gewinnbringend, weil die Baukosten in Höhe von 472 Millionen Pfund kurzerhand abgeschrieben worden seien. Darüber hinaus habe Beckett die hohen Kosten für die Transporte mit schwer bewaffnetem Begleitpersonal nicht eingerechnet.
BNFL-Geschäftsführer Norman Askew sagte, durch die bevorstehende Inbetriebnahme seien 300 Arbeitsplätze gesichert. „Ich bin über die Entscheidung hocherfreut“, fügte er hinzu. „Die Anlage muss nur zu 40 Prozent ausgelastet sein, um keine Verluste zu machen. Unsere Kunden haben sehr viel Geduld mit uns gehabt.“ Bisher sind nur die Schweiz und Deutschland MOX-Kunden. Um profitabel zu sein, benötigt BNFL aber Aufträge aus Japan, doch die blieben aus, nachdem BNFL versucht hatte, die japanischen Atomunternehmen mit gefälschten Sicherheitsdaten hinters Licht zu führen.
BNFL hat seit 20 Jahren ihren eigenen Mann in der britischen Botschaft in Tokio. Er genießt vollen Diplomatenstatus, BNFL überweist dem Außenministerium im Gegenzug eine halbe Million Pfund im Jahr. Seine Aufgabe ist es, japanische Aufträge für die britische Atomindustrie an Land zu ziehen. Den Gegnern der MOX-Anlage bleiben zehn Wochen Zeit, juristische Schritte einzuleiten. Ende des Jahres soll die Plutoniumschleuder in Betrieb genommen werden.
RALF SOTSCHECK
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