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Die USA behalten das Kommando

Nato darf Angriffsplanung nicht mitbestimmen. Zunächst wollen sich die USA auf Afghanistan konzentrieren. Das soll arabische Staaten beruhigen

Aufgrund der aus Sicht der US-Militärs unbequemen Erfahrung im Kosovo-Krieg, als die Alliierten mitreden durften, liegt das Kommando jetzt nicht in Brüssel, sondern in Washington

von ERIC CHAUVISTRE

Bei der Vorbereitung der militärischen Reaktion auf die Anschläge vom 11. September zeichnen sich die Konturen der US-Pläne allmählich ab. Während die Rolle der Nato-Militärs weitgehend auf die Bereitstellung von Awacs-Flugzeugen begrenzt sein wird, sind die USA weiterhin bemüht, zumindest in der ersten Phase des Krieges die politischen Folgeschäden für ihre Beziehungen zu arbischen Ländern und zu Pakistan so weit wie möglich zu begrenzen. Erste Luftangriffe auf Afghanistan erwarten Beobachter ab diesem Wochendende, wenn US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seine Reise in den Nahen und Mittleren Osten beendet hat.

Bundeswehrangehörige werden zwar an militärischen Einsätzen direkt beteiligt sein, allerdings nicht in Kampfverbänden. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) verwies gestern auf den Einsatz deutscher Soldaten „in so genannten integrierten Verwendungen – an Bord von Awacs-Flugzeugen der Nato oder auf Schiffen“. Normalerweise stellt die Bundeswehr etwa ein Drittel der Awacs-Besatzungen. Bei den von Scharping erwähnten Schiffen handelt es sich offenbar um vier von mehreren Nato-Staaten bestückten Marine-Verbänden im Mittelmeer und im Atlantik, die auch der ständigen Kontrolle der Nato unterstehen.

Um direkte deutsche Unterstützung haben die USA offenbar nicht gebeten. Im Gegensatz dazu hat die französische Regierung aus Washington eine Aufforderung zur Hilfe erhalten. Paris will unter anderem zwei Kriegsschiffe seiner im Indischen Ozean stationierten Flotte zur Verfügung stellen.

Auch die britische Regierung steht in direkten Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten. „Ich kann bestätigen, dass wir erste Gespräche mit den USA führen über eine ganze Bandbreite militärischer Fähigkeiten, mit denen Großbritannien helfen kann, und wir haben bereits positiv darauf reagiert“, erklärte Premierminister Tony Blair gestern vor dem Unterhaus in London. Obwohl der Einsatz der erste Fall unter Artikel 5 des Nato-Vertrages ist, also zumindest formell eine Aktion, für deren Fall das Bündnis ursprünglich gegründet wurde, wird das Nato-Hauptquartier diesmal nicht an der militärischen Planung beteiligt. Aufgrund der aus Sicht der US-Militärs unbequemen Erfahrung während des Kosovo-Krieges, als die Alliierten über Ziele mitreden durften, liegt bei diesem Einsatz das militärische Kommando nicht in Brüssel, sondern in Washington. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf militärische Einsatzplanung seitens der Bundesregierung düfte daher eng begrenzt sein.

Während Rumsfeld seit dem 11. September noch nicht den Weg zur Nato nach Brüssel gefunden hat, begann er gestern eine Reise, die ihn nach Stopps in Saudi-Arabien, Ägypten und Oman in das an Afghanistan grenzende Usbekistan bringen wird. Auf die Frage, ob bereits US-Truppen in dem zentralasiatischen Land stationiert sind, antworte der Pentagon-Chef nur ausweichend. Es gäbe Zeiten, wenn Truppen besser nicht sichtbar agierten.

Ziel des Rumsfeld-Besuchs ist es, die Nutzung der Militärbasen in Pakistan auf ein Minimum zu beschränken. Denn Washington befürchtet, die Nutzung pakistanischer Basen könnte zu politischen Unruhen in dem Land führen. Neben der Nutzung des im Indischen Ozean liegenden US-Flugzeugträgers „Kitty Hawk“ auch als Basis für Spezialeinheiten suchen die USA deshalb nach Ausweichmöglichkeiten vor allem in Usbekistan und Tadschikistan. Die Tatsache, dass sich der Pentagon-Chef persönlich in das kleine Usbekistan begibt, dürfte ein Anzeichen dafür sein, dass die Amerikaner bislang Probleme hatten, die volle Unterstützung der dortigen Regierungen zu erhalten.

In den arabischen Staaten ist es den USA bislang offenbar nicht gelungen, den erwünschten Rückhalt zu bekommen. Saudi-Arabiens Verteidigungsminister Prinz Sultan Ibn Abdelasis bekräftigte gestern, dass es keine militärische Kooperation in dieser Sache gäbe. In der Nacht zum Donnerstag hatte US-Außenmister Colin Powell versucht, die Bedenken der arabischen Staaten auszuräumen, als er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Emir von Qatar in Washington versicherte, dass bei dem Krieg gegen den Terrorismus keine arabischen Länder auf der Zielliste der USA stehen: „Wir konzentrieren uns auf al-Qaida und auf Afghanistan“, versicherte Powell. Die dann folgende Einschränkung klingt nach weitergehenden Plänen: „Das ist die erste Phase unserer Operation, und ich kann offensichtlich nichts darüber sagen, was in der Zukunft geschehen wird.“

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