: Was bleibt, ist die Hoffnung
Textilfabriken sollten Zentralamerika Jobs bringen. Wegen der US-Krise wird jetzt jedoch entlassen
SAN SALVADOR taz ■ Zentralamerikas durchweg neoliberale Regierungen hatten sich das so schön vorgestellt: Taiwanesen und Südkoreaner kommen ins Land, stellen Blechhallen und Nähmaschinen auf, und die horrenden Arbeitslosenzahlen sinken. Dass in solchen „Maquilas“ genannten Schwitzbuden kaum mehr als hundert Dollar im Monat verdient werden kann, machte nichts. Schließlich hatten die Arbeiterinnen vorher noch weniger. Für Absatz sollte immer gesorgt sein: Die USA, wo 90 Prozent der in Zentralamerika genähten Kleidung verkauft wird, gestatten diesen Ländern, in Quoten festgelegte Stückzahlen zollfrei auf den Markt zu bringen.
Lange funktionierte das auch so. Die Wirtschaft in den USA boomte und der Maquila-Sektor in Zentralamerika und Mexiko verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren Wachstumraten zwischen 10 und 20 Prozent. Für das laufende Jahr waren sogar 25 Prozent angepeilt. Doch daraus wird nichts. Die US-Konjunktur stottert seit Monaten, und kein Mensch weiß, wann sie wieder in Fahrt kommen wird.
Für die Textil-Maquilas hat das verheerenden Folgen. Statt der erhofften neuen Arbeitsplätze hagelte es Stellenstreichungen. Zusammen genommen wurden fast 100.000 Arbeiterinnen entlassen, rund 70.000 davon allein in Mexiko. In Honduras wurden 23 Fabriken geschlossen. In den anderen zentralamerikanischen Ländern waren es jeweils etwa ein halbes Dutzend. Und rund die Hälfte der noch arbeitenden Betriebe steht finanziell auf der Kippe, weil das Auftragsvolumen um knapp 40 Prozent abnahm.
Die von den Regierungen ausgehandelten zollfreien Zugangsquoten, die einen sicheren Absatz auf dem US-Markt garantieren sollten, haben längst ihre Bedeutung verloren. Nicht dieses Reglementierungsinstrument des Marktes, sondern die Nachfrage drosselt die Produktion. „Wir wären froh, wenn wir wenigstens 50 Prozent unserer Quote ausnutzen könnten“, sagt Alex Soriano vom salvadorianischen Marktbeobachtungsinstitut Fundatex. Die Quoten waren erst im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der so genannten „Initiative für das Karibische Becken“ erhöht worden. „Wir hatten alle hohe Erwartungen“, sagt Luis Anleu, Präsident des salvadorianischen Verbands der Textil-Unternehmer. „Aber als die Regelung im vergangenen Oktober in Kraft trat, schwächte sich die Konjunktur in den USA ab. So blieb es bei den bloßen Erwartungen.“ Anleu rechnet damit, dass in den nächsten Wochen allein in El Salvador rund 25 Maquilas schließen werden.
So schnell, wie die Unternehmen nach Zentralamerika gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg. Viele ziehen zurück in den Fernen Osten. Seit den Abwertungen der dortigen Währungen im Zusammenhang mit der Asienkrise sind die Löhne dort noch niedriger als im Dollar-orientierten Hinterhof der USA. „Trotz Vorzugsquoten und Marktnähe ist der karibische Raum gegenüber vielen ostasiatischen Ländern nicht mehr konkurrenzfähig“, sagt Anleu.
TONI KEPPELER
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