: Alba tut das Gute
Der Basketballklub Alba Berlin liefert seinen Fans eine Identifikationsplattform, die nicht kommoder, geräumiger und flauschiger sein könnte. Und gewinnt am Wochenende auch gleich noch zweimal
von MARKUS VÖLKER
Wie schön muss es sein, ein Alba-Fan zu sein. Er geht mit der Gewissheit durchs Leben, auf der sicheren Seite zu stehen. Denn er ist auf der Seite von Alba Berlin. Die gewinnen fast immer. Manchmal 32 Spiele in Folge. Und wenn die Serie reißt, ist dies nur der Beginn einer neuen, herrlichen Siegesserie. Der Alba-Fan weiß schon vor Spielbeginn, dass seine Mannschaft nicht nur aufopfernd kämpfen wird, sondern auch ansonsten viel Spaß bringt mit diversen Dunkings und tollen Tempogegenstößen.
Doch der Alba-Fan ist nicht nur auf Basketball aus. Er will auch ein bisschen Show. Die homöopathische Dosis. Nicht zu viel. Gerade genug, um den Gedanken vom Tage ein wenig nachzuhängen. Der Architekt kann so in aller Ruhe den Radiergummi auf die Skizze setzen. Der Werbemann sinniert, untermalt von der Pausenmusik „Yesterday, all my troubles seems so far away“, über die Freuden des Feierabends. Der Student lacht über den Witz, der Schriftsteller Strittmatter sei der Drahtzieher des Terrorismus, weil er den Roman „Der Laden“ geschrieben hat, schickt ein Papierflugzeug aufs Parkett der Max-Schmeling-Halle und gießt sich anschließend in den Kneipen von Prenzlauer Berg einen hinter die Binde. So liebt man es.
Der Verein Alba Berlin liefert seinen Anhängern eine Identifikationsplattform, die kommoder, geräumiger, flauschiger nicht sein könnte. Er vermittelt ihnen das Gefühl, in einen Orden einzutreten, der das Gute tut. Dabei geht der Basketballklub äußerst instruktiv vor. Er lehrt die Gemeinde, was eine gute Familie zu einer besseren und schließlich zur besten macht. Harmonie. Strenge. Konsequenz. Auf diesen Säulen ruht ein Überbau, in dem die moralische Instanz der Albatrosse wohnt. Mit sanftem Flügelschlag könnte das himmlische Alba-Wesen auch zum Roten Kreuz, dem Kinderhilfswerk der UNO oder zur OSZE flattern, aber es bleibt natürlich im heimischen Schlag.
Was machen sie nicht alles richtig. Sie stemmen sich gegen die branchenübliche Fluktuation und lassen die Alba-Fans in die immer gleichen Spielergesichter schauen. Sie fördern die Jugend im Satellitenklub TuS Lichterfelde und nehmen die Talente dann bei sich auf. Sie schicken undisziplinierte Profis auf die Bahamas und holen brave an die Spree. Die Pressefrau strahlt so viel Grandezza aus, dass es für eine Filmrolle, noch eine Filmrolle und Hertha BSC Berlin reichen würde.
Die anderen im Verein besetzen tragende Rollen im Stück „Vernunft und ihre Folgen“. Weil Alba Berlin zuletzt fünf Mal in Folge Meister wurde, wittern manche Langeweile. Aber die Wiederkehr des Immergleichen ist kein Malheur, denn der Alba-Fan verabscheut Veränderung, die eine ganze Vereinsgeschichte in den Orkus reißt. Weil der Verein noch nicht mal ein Teenie ist, geht er vorsichtig mit der eigenen Historie um. Anders die Konkurrenz. Zum Beispiel der Mitteldeutsche BC aus Weißenfels, der zum Start der heurigen Spielzeit nach Berlin kam. 5.100 Zuschauer sahen am Freitag das Gewachsene über die Retorte siegen. Mit 111:85.
Trainer Emir Mutapcic sagte danach, man hätte besser spielen können. Die Verteidigung habe nicht überzeugt. An die vergangene Saison könne das Spiel noch nicht anknüpfen. Viele seien nicht in Form. Vor allem der Neue, Jiri „George“ Zidek. Er wurde für den abtrünnigen Dejan Koturovic verpflichtet. Zidek spielte in der amerikanischen Profiliga NBA. Bei den Charlotte Hornets wurde der Tscheche ins Team der besten Liganeulinge gewählt. Das war 1995. Zuletzt saß der 2,13 Meter große Center bei Real Madrid viel auf der Bank.
„Er war nur die dritte, vierte Option auf seiner Position“, sagte Mutapcic, „er zeigte zwar ein bisschen von seiner Qualität, aber er ist, ich will nicht sagen sehr weit, aber doch weit weg von seiner besten Form.“ Über seine Lakatwerte sei der Trainer ziemlich erschrocken. Mutapcic: „Er muss noch viel trainieren. Es gibt viel Potenzial.“ Zidek bewegte sich hüftsteif, kam dennoch auf 18 Punkte. Nur Wendell Alexis war erfolgreicher. Er erzielte nicht nur 24 Punkte, sondern wurde nach drei Minuten des ersten Viertels für seinen 5.000. Pflichtspielpunkt geehrt. Am Sonntag baute Alexis sein Konto weiter aus. Beim 79:90 von Alba über Würzburg kam der Amerikaner auf knapp 20 Punkte.
Am liebsten wäre auch Tom Schneeman ein Alba-Fan. Der Eindruck entstand, als er in der Pressekonferenz vom „wunderful ballclub“ schwärmte und den Gastgebern herzlich gratulierte für ihre Arbeit. Aber Schneeman darf kein Alba-Fan werden. Er ist Trainer des Mitteldeutschen BC.
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