: Motto: Stellung beziehen
Prominente Intellektuelle äußern sich kritisch zu den Folgen der Terroranschläge in den USA. Innenpolitische Verschärfung befürchtet. Rasterfahndungen abgelehnt
BERLIN taz/dpa ■ Einen Monat nach den Terroranschlägen in den USA meldeten sich am Sonntag erstmals auch prominente deutsche Schriftsteller zu Wort. Am Rande der Herbsttagung der Akademie der Künste in Berlin kam es zu kontroversen Debatten. Vor allem die innenpolitischen Folgen der Anschläge wurden thematisiert.
Der Schriftsteller und Nobelpreisträger Günther Grass wandte sich strikt gegen die Neuauflage von Rasterfahndungen. „Die RAF ist nicht auf Grund von Rasterfahndungen gefasst worden und sie werden auch heute nicht zum Erfolg führen,“ warnte Grass. Er befürchte eine deutliche Beschneidung der demokratischen Rechte und die Verschärfung von Gesetzen. Um den heutigen Terrorismus zu verstehen, riet er zum Lesen: „Wer Dostojewski und Döblin liest, wird merken, dass da schon sehr viel drin steht.“ Auch der Schriftsteller Peter Härtling warnte vor einer um sich greifenden „Lust am Freiheitsabbau und dem Ruf nach raschen Verordnungen“. Christoph Hein zeigte sich darüber hinaus besorgt, dass die Freiheitsrechte des gedruckten und gesprochenen Wortes eingeschränkt werden könnten. An stürmische gesellschaftskritische Zeiten fühlte sich der Polit-Graphiker Klaus Staeck erinnert. Alle Künstler müssten jetzt „klar Stellung“ beziehen.
In den letzten Tagen hatten sich Intellektuelle und Schriftsteller in der Öffentlichkeit zu den Ereignissen geäußert und waren vom bisherigen Tenor der Kommentare abgewichen. In Beiträgen von Botho Strauß, Salman Rushdie oder Susan Sontag in verschiedenen Medien gab es zum ersten Mal auch deutlich amerikakritische Äußerungen. So sprach Rushdie in der Welt von einer Spurensuche nach Verantwortung, die sich jenseits der eigentlichen Urheber bewegen müsse. Auch Günther Grass betonte, dass man nicht vergessen könne, dass die USA in der Vergangenheit „schlimmste“ Diktaturen gestützt hätten. Das sei zwar keine Entschuldigung des Terrorismus, bedeute aber, „dass wir auf uns zurückweisen müssen, wenn wir anklagen.“ ann
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