: „Liebe taz...“ Die Artenvielfalt erhalten
Betr.: „Ethik der Peitzger“, taz-bremen vom 5.10.01
Bei dem Artikel ist leider einiges schief gelaufen, was so nicht stehen bleiben sollte. Dies passiert immer wieder, wenn Fakten aus dem Zusammenhang gerissen werden. Richtig ist, dass durch die Strukturierung der Landschaft durch landwirtschaftliche Nutzung die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zunächst deutlich angestiegen ist (und zwar weniger durch Züchtungen als durch die Schaffung von Kleinlebensräumen). Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass durch die Flurbereinigung und den Einsatz von immer effizienteren Bodenbearbeitungs-, Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen die Vielfalt nachfolgend massiv beeinträchtigt wurde: Die Landwirtschaft ist der Verursacher Nr. 1 des Artenrückgangs!
Auch das Statement, für das menschliche Überleben seien nur hundert Arten erforderlich, ist nicht haltbar: Damit können bestenfalls diejenigen Tier- und Pflanzenarten gemeint sein, die vom Menschen unmittelbar für Ernährung, Fasergewinnung, als Brennstoff oder Heilpflanzen genutzt werden. Dass alle diese jedoch zur Aufnahme von Nahrung und Nährstoffen auf zahllose andere Arten, vor allem Mikroorganismen, angewiesen sind (über deren Zahl wir nur so viel Vorstellung haben, dass wir wissen, dass sie die der „Zielorganismen“ um ein Vielfaches übersteigt), darf keinesfalls unter den Tisch fallen.
Auf der Tagung haben wir keinesfalls die „Ansicht erschüttert, eine Vielfalt von Arten sei unabdingbar für die Stabilität von Ökosystemen“ - was nicht der Fall ist. Mays vor langem publizierte Untersuchungen (worauf die Aussage wohl beruht) besagen, dass eine Vielfalt von Arten nicht etwa die Stabilität von Ökosystemen, sondern die von Populationen, also von Individuenzahlen einer Art innerhalb eines Ökosystems, reduziert. Gerade neuere Untersuchungen zeigen unisono, dass Systeme mit vielen Arten besser „funktionieren“ als solche mit wenigen Arten. Dementsprechend plädieren „wir Wissenschaftler“ keineswegs nur aus ethischen Gründen für einen größtmöglichen Erhalt der Artenvielfalt.
Schließlich kann ich mich nicht erinnern, dass wir im offiziellen Kreis erörtert hätten, wie der ökologische Landbau gefördert werden kann - dazu fehlten auf dieser weitestgehend von Naturwissenschaftlern (sic! Frauen waren nur schwach repräsentiert) besuchten Tagung die ÖkonomInnen und SoziologInnen.
Prof. Dr. Juliane Filser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen