: Autogene Zone von Altona
Bundesweite Premiere: Große Bergstraße wird für Autos geöffnet ■ Von Gernot Knödler
Altona setzt sich an die Spitze deutscher Verkehrspolitik. Es ist bloß nicht klar, ob die Reise tatsächlich in die Zukunft geht. Noch vor Weihnachten will der Bezirk die Große Bergstraße am Bahnhof Altona für den Autoverkehr öffnen. Damit würde zum ersten Mal in Deutschland eine Fußgängerzone aufgelöst. Die Mehrheit der Bezirkspolitiker erhofft sich davon eine Aufwertung des Viertels. Nur die GAL hat gestern in der Fußgängerzone dagegen protestiert.
Die Altonaer SPD hatte die Öffnung vor beinahe drei Jahren vorgeschlagen, um einen weiteren Niedergang der Einkaufsstraße zu verhindern. Geschäftsleute klagten und klagen noch über schwache Umsätze; in vielen Läden wechseln die Mieter häufig; das Angebot verlor an Niveau.
Gutachten kamen zu dem Schluss, die Nachbarschaft sei zu arm, um so eine lange Einkaufstraße am Leben halten zu können. Deshalb müssten Magneten für Kunden aus anderen Stadtteilen geschaffen werden, etwa Fachmärkte für Elektronik und Sportartikel. Außerdem sei der Anteil der Autofahrer unter den Käufern in der Bergstraße gering, da stecke noch ein Potential.
Dessen Erschließung soll jetzt mit einer provisorischen Öffnung begonnen werden. Das Bezirksamt will den Abschnitt von der Luise-Schröder-Straße bis zum Goetheplatz als Einbahnstraße für Autos freigeben. Dort könnte der Verkehr über die Altoner Poststraße auf die Ehrenbergstraße fließen. Ein Schleichweg entstünde so nicht.
Mit 170.000 Mark aus dem Topf, über den er selbst verfügen kann, will der Bezirk die Fahrbahn und die geplanten Parkplätze durch Poller markieren. Außerdem muss ein Stromkasten, müssen Lampen, Bäume und Blumenrabatten versetzt oder neu gepflanzt werden. Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer versichert, das Geld sei „nicht in den Sand gesetzt“. Es handele sich um Arbeiten, die bei einem endgültigen Umbau ohnehin erledigt werden müsssten. Ohnehin hofft der Bezirk, dass das Provisorium den Senat dazu bewegen wird, Millionen für den großen Umbau zu spendieren.
GAL und Regenbogen hatten in der Bezirksversammlung Anfang vergangenen Jahres gegen den SPD/CDU-Antrag zur Öffnung gestimmt. Das Problem liege „in den Bausünden der 60er und 70er Jahre“, findet die GAL, sprich im bunkerartig über der Straße lauernden Einkaufszentrum „Frappant“. Die Einkaufsmeile sei tagsüber sehr belebt, nur wolle sich keiner dort länger aufhalten. Um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen, schlägt sie deshalb „Parkbänke statt Parkplätze“ vor und fordert ein Gesamtkonzept für die Fußgängerzone östlich des Altonaer Bahnhofs.
Den Einzelhändlern ist die Aufenthaltsqualiät des öffentlichen Raums dagegen ein Dorn im Auge, weil sich an den bestehenden Sitzgelegenheiten Säufer versammeln. Der Bezirksamtsleiter spricht von einem „teilweise unkontrollierten Raum“, der durch die Öffnung verkleinert werde.
Beim Thema Gesamtkonzept kann er auf eine Reihe geplanter und begonnener Vorhaben verweisen: Der westliche Teil der Fußgängerzone soll durch Neubauten verschmälert und der Goetheplatz neu gestaltet werden; die Pavillons, die dort standen, sind bereits abgerissen. Kurz vor der Ecke Luise-Schröder-Straße/Große Bergstraße soll neu gebaut werden; die Zahl der Interessenten, die das Frappant umbauen oder abreißen wollten, wachse. Und der Bezirk hat beantragt, das ganze Viertel zwischen Frappant und Nobistor zum Sanierungsgebiet zu erklären.
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