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Zurück ja. Aber wohin?

Roma & Sinti Union fordert Abschiebestopp für Ex-Jugoslawien  ■ Von Heike Dierbach

„Viele wollen ja zurück“, sagt Jasar Demirov, „aber wohin? Die Lage in Jugoslawien ist noch nicht so stabil“. Jedenfalls nicht für die Minderheit, die der Vorsitzende der Roma & Sinti Union Deutschland vertritt. Um einen Abschiebestopp für Roma und Sinti in die jugoslawischen Teilrepubliken Serbien und Montenegro zu erreichen, traf sich die Roma & Sinti Union gestern mit dem Leiter der Hamburger Ausländerbehörde, Ralph Bornhöft. Zugleich demonstrierten etwa 300 Menschen vor dem Gebäude für einen Abschiebestopp.

Seit Juli diesen Jahres können Flüchtlinge aus Jugoslawien „rückgeführt“ werden. In Hamburg betrifft das potenziell rund 4500 Flüchtlinge. Wie viele von ihnen Roma oder Sinti sind, weiß keiner – die Ethnie wird behördlich nicht erfasst. Für einen Abschiebestopp ist die Verwaltung zwar nicht die richtige Adresse – ein solcher muss auf der politischen Ebene von der Innenministerkonferenz beschlossen werden. Aber die Roma und Sinti haben auch Kritik an der Praxis der Hamburger Ausländerbehörde. Deren Mitarbeiter würde die Betroffenen „erpressen“, erzählt Demirov: „Entweder du unterschreibst, dass du freiwillig ausreisen wirst, oder sie verlängern deine Duldung nicht.“ Das betreffe sogar Roma aus dem Kosovo, für die bereits ein Abschiebestopp gilt.

Als Erpressung will Behördensprecher Norbert Smekal das Ansinnen der MitarbeiterInnen nicht verstanden wissen. „Wir setzen auf die freiwillige Rückkehr und sprechen natürlich darüber auch mit den Flüchtlingen. Wenn einzelne das als Drohung verstehen...“ Abgeschoben wurden bisher aus Hamburg rund zehn Roma und Sinti nach Ex-Jugoslawien. Ob auch Roma und Sinti aus dem Kosovo zur Ausreise aufgefordert wurde, will die Behörde prüfen und gegebenenfalls „korrigieren“.Für die anderen aber, so die Behörde, gebe es derzeit keine Möglichkeit eines Bleiberechtes: Laut Lagebericht des Auswärtigen Amtes droht ihnen in Serbien und Montenegro keine Verfolgung.

Demirov, der in dieser Woche in Belgrad war, hat es anders erlebt: Dort solle beispielsweise eine Roma-Siedlung mit rund 10.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden, in ein „Ghetto“ rund 30 Kilometer außerhalb der Stadt. Die Harburger GAL-Politikerin Julia Carmesin, die gestern ebenfalls an dem Gespräch mit der Behörde teilnahm, berichtet, Roma und Sinti hätten in Serbien keine Chance auf Arbeit oder Ausbildung, „keine Aussicht, sich ein Leben aufzubauen. Viele der Flüchtlinge, die seit über zehn Jahren in Hamburg leben, haben panische Angst vor der Rückkehr.“ Das gilt nicht nur für Roma und Sinti: Von der Möglichkeit der freiwilligen Heimreise haben bisher trotz finanzieller Anreize nur rund 500 Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien Gebrauch gemacht.

Die Roma & Sinti Union will sich nun an die Politik wenden: Für die kommende Woche ist eine bundesweite Demonstration vor der Innenbehörde geplant.

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