: Ästhetische Vorteile begrenzt
■ St. Pauli hat sich mit dem 2:2 gegen Freiburg an seine spielerischen Grenzen herangekämpft
Freiburger Fußball hat mit dem Millerntor-Kick ungefähr soviel gemeinsam wie das Wetter an der Elbe, mit dem an der Dreisam. Theoretisch gesehen jedenfalls. Beim Aufeinandertreffen am Samstag war das anhand der praktischen Darbietungen allerdings nur sehr bedingt zu verifizieren. Genau genommen nur eine gute Viertelstunde lang. Die begann direkt nach dem Seitenwechsel, und als Alexander Iashvili das ästhetische Übergewicht der Gastgeber mit der überfälligen Führung (67.) dann auch faktisch untermauerte, schien die Sache gelaufen. Obwohl St. Pauli aus seinen Möglichkeiten lange das optimale gemacht und nach Ansicht von Trainer Dietmar Demuth „die beste erste Halbzeit der Saison gespielt hatte“. Gearbeitet wäre die adäquatere Formulierung gewesen. Oder, wie es Demuths Freiburger Kollege Volker Finke ausdrückte: „St. Pauli hat in der ersten Hälfte gut die Räume eng gemacht.“ Mit Marcao als einzigem Angreifer und einem ambitionierten Pressing-Spiel des dicht gestaffelten Mittelfelds waren dafür die strategischen Voraussetzungen geschaffen worden.
Die psychologischen lieferte die Spielentwicklung, als ein gänzlich unbeaufsichtigter Marcao nach einer abgewehrten Ecke den zweiten Flankenversuch von Christian Rahn per Kopf im Tor von Richard Golz unterbrachte (15.). Was dem Selbstbewusstsein auf der einen Seite so zu- wie dem auf der anderen abträglich war. Zumal die Freiburger so schleppend in die neue Saison gekommen sind, wie sie nach der Hamburger Führung versuchten, ihr Kombinationsspiel in Gang zu setzen. Erst als sich Deniz Baris am Trikot von Andreas Zeyer zu schaffen machte und Schiedsrichter Lutz Michael Fröhlich Elfmeter (41., Kobiashvili) und kurz darauf zur Pause pfiff, nutzten die Einheimischen beide Gelegenheiten, um ihren Rückstand auszugleichen – nach Toren und auch mental.
Das Ergebnis war jene Viertelstunde nach der Pause, nach der, so SC-Trainer Finke später, „auch eine Führung mit mehr als einem Tor verdient gewesen wäre“. Weil Freiburg da aber serienweise gute Chancen ausließ, blieb es beim Konjunktiv. Und am Ende bei einem Remis, das auch Finke, als „gerecht“ empfand. Denn nicht nur mit dem Ausgleichstreffer durch den eingewechselten Konetzke (82.) offenbarte eine kämpferisch entschlossene Hamburger Mannschaft, wo die Freiburger Mannschaft jenseits aller psychischen Befindlichkeiten ihre größten fußballspezifischen Defizite hat: im zentralen Abwehrbereich. Ein stärkerer Gegner hätte daraus an diesem Nachmittag noch mehr Kapital schlagen können.
Trainer Demuth mochte sich den Punktgewinn in der Fremde dennoch nicht vermiesen lassen. „Gut für das Selbstbewusstsein“ sei das Ergebnis, und auch sportlich könne man „auf der ersten Halbzeit aufbauen“. Aber was hätte er auch anderes sagen sollen? Nach einem Spiel, bei dem seine Mannschaft sich bis an ihre Grenzen verausgabt und sie damit aber auch erneut sichtbar gemacht hatte.Ulrich Fuchs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen