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Filzen des Kellers zu nächtlicher Stunde

Ein neues Sicherheitsgesetz, das der französische Senat derzeit debattiert, soll Freiheitsrechte zum Teil und vorübergehend außer Kraft setzen. Vielen Politikern gehen diese Einschränkungen noch nicht weit genug

PARIS taz ■ Nächtliche Hausdurchsuchungen sind in Frankreich tabu. Das Filzen von Kofferräumen, die rechtlich als Fortsetzung des privaten Wohnraums gelten, ist das Privileg der wenigen Offiziere der Kriminalpolizei. Leibesvisitationen vor öffentlichen Gebäuden dürfen nur echte Polizisten vornehmen. Und das Internet ist trotz weit entwickelter technischer Überwachungsmöglichkeiten bislang ein relativ privater Raum.

All das sind bürgerliche Freiheitsrechte, die in Frankreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mühsam durchgesetzt wurden. Seit den Attentaten in den USA sind sie gefährdet. Im Rahmen des Gesetzes über die „Sicherheit im Alltag“, das heute und morgen im Senat debattiert wird, hat die rot-rosa-grüne Regierung Anfang Oktober 13 Zusatzvorschläge eingereicht. Sie sehen Maßnahmen vor, die diese Freiheitsrechte außer Kraft setzen. „Vorübergehend“, hat der sozialdemokratische Premier Lionel Jospin versichert. Das Provisorium soll bis zum 31. Dezember 2003 dauern. Unter anderem sollen Kellerräume und Garagen – die als Waffenverstecke verdächtigt werden – auch nachts durchsucht werden dürfen, das Recht auf Personen- und Kofferraumkontrollen soll ausgedehnt werden, und an Bahnhöfen und anderen „sensiblen“ öffentlichen Einrichtungen sollen auch private Wachleute „verdächtige“ Personen abtasten dürfen.

In normalen Zeiten hätte das einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. 1995, als der konservative Innenminister Pasqua die Kofferraumkontrollen verstärken wollte, protestierte auch der heutige sozialdemokratische Innenminister Daniel Vaillant gegen die Freiheitsberaubung.

In diesen Tagen melden sich Politiker zu Wort, denen die Sondervollmachten nicht weit genug gehen. Der einstige Ökopolitiker und Rechtsliberale Brice Lalonde verlangt ein „härteres Durchgreifen gegen die rechtlosen Zonen“. Der rechtspopulistische Abgeordnete Philippe de Villiers verlangt, dass in den Banlieue, „Stätten des heiligen Kampfes gegen die Freiheit“, Waffen eingesammelt werden.

Nur wenige melden Bedenken an. „Die Sondervollmachten vermitteln den Eindruck, dass wir im Krieg sind“, sagt der Präsident der Liga für Menschenrechte, Michel Tubiana. Er warnt: „Die Ausstattung privater Polizisten mit Polizeivollmachten schwächt den Staat und lässt schlimmste rassistische Ausschreitungen befürchten.“ Bereits seit dem Abend des 11. September sind in Frankreich die Polizei- und Militärkontrollen verschärft worden. Diese Operation „Vigipirates“ – „Piratenwache“ –, die das Land schon während des Golfkriegs und während früherer Attentatswellen in Kraft setzte, mobilisiert tausende von Polizisten und Soldaten, die schwer bewaffnet Patrouillen machen.

Die „Piratenwächter“ verhinderten nicht, dass am vergangenen Samstag zwei schwere Jungs mit einem entführten Hubschrauber aus dem Hochsicherheitstrakt eines südfranzösischen Gefängnisses fliehen konnten. Doch sie haben das Klima für Franzosen mit dunkler Hautfarbe und für papierlose Einwanderer massiv verschlechtert. Die protestantische Hilfsorganisation Cimade hat schon in der ersten Woche nach den Attentaten in den USA eine Zunahme der Verhaftungen von Papierlosen in Frankreich um 30 Prozent registriert. Die Belegung der Abschiebegefängnisse ist um 46 Prozent gestiegen.

Raphael Grandfils, Sprecher der linken Richtergewerkschaft SM, verweist darauf, dass eine Zunahme von Identitätskontrollen nicht zur Verbesserung der Terrorfahndung führe. Dazu „müssen die Mittel für die Ermittler aufgestockt werden“.

DOROTHEA HAHN

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