piwik no script img

Österreichs Gewerkschaften mobilisieren

Österreichs FPÖ-Vizekanzlerin liegt im Clinch mit den Arbeitnehmern. Die drohen mit einem heißen Herbst

WIEN taz ■ Der Klassenkampf tobt in Österreich, zumindest rhetorisch. Schauplatz der wilden Auseinandersetzungen ist ausgerechnet der Kongress der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), der einzigen Teilgewerkschaft des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), die nicht von Sozialdemokraten sondern von der christdemokratischen ÖVP dominiert wird. Die rüden Töne im Vorfeld des Gewerkschaftstages belasten das schon längere Zeit gespannte Klima in der Regierungskoalition noch stärker.

Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ), sagte ihren Auftritt vor dem Gewerkschaftstag am Dienstag ab, weil der Koalitionspartner sie brüskiert habe. Sündenbock ist Werner Fasslabend, der Chef des Österreichischen Arbeiter- und Angestellten-Bundes (ÖAAB), der am Montag bei seiner Rede vor der Fraktion Christlicher Gewerkschaften bemerkte, dass „die Arbeit der Frau Vizekanzlerin bisher nicht auf Kooperation und Verständnis ausgerichtet gewesen“ sei.

Riess-Passer ist in der Regierung als Vizekanzlerin für die Beamten zuständig. Ihr Verhandlungsstil hat der FPÖ-Frau wenig schmeichelhafte Vergleiche mit Margaret Thatcher eingebracht. Ähnlich kompromisslos versucht sie die Gewerkschaften zu schwächen. Und bei der anstehenden Verwaltungsreform sollen umgerechnet sieben Millionen Mark eingespart werden. Auf Kosten der Beamten, fürchtet GÖD-Vorsitzender Fritz Neugebauer, der mit einer Suada gegen jene „Kräfte im Lande, die keine Chance auslassen, die Interessenvertretungen zu attackieren“ in dieselbe Scharte schlug wie Fasslabend.

Das Gelingen der Verwaltungsreform gilt in der Bundesregierung als Voraussetzung für das von Finanzminister Karl-Heinz Grasser für 2002 angepeilte Nulldefizit und in dessen Gefolge eine Steuersenkung vor den Wahlen. Sollte es keine Steuersenkung geben, werde man die Beamten verantwortlich machen, wetterte Neugebauer.

„Die scheint mir ein bissel übersensibel zu sein, die Frau Vizekanzlerin“, bemerkte Hans Sallmutter, Vorsitzender der Privatangestelltengewerkschaft und einer der Lieblingsfeinde Riess-Passers. Ansprachen der Regierungsmitglieder haben Tradition auf dem Gewerkschaftstag, und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel verzichtete nicht auf die Gelegenheit, vor hunderten Delegierten die von den Beamten gefürchtete Verwaltungsreform zu verteidigen.

Der Gewerkschaftstag ist gleichzeitig der Auftakt für einen möglicherweise heißen Herbst, den die Gewerkschaften mit Mobilisierungen gegen den Soziallabbau der Regierung dominieren wollen. Das grüne Licht der Basis für jede Art von Kampfmaßnahmen holte sich der ÖGB mit einer Urabstimmung, die Montag zu Ende ging. Zwar wird das ofizielle Ergebnis erst am Freitag verkündet. Doch lassen die Gewerkschaftsbosse schon jetzt durchblicken, das unausgesprochene Ziel einer 50-prozentigen Beteiligung sei erreicht.

Inzwischen herrscht aber auch an der Basis Unruhe. Denn letzte Woche gaben die Metallergewerkschaft und die Gewerkschaft der Privatangestellten überraschend ihre bevorstehende Fusion bekannt. Selbst ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch erfuhr von der Elefantenhochzeit, die seine eigene Autorität empfindlich untergräbt, erst aus den Medien. Die Zustimmung der Basis wurde dafür ebensowenig eingeholt wie die ihres obersten Vorsitzenden.

RALF LEONHARD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen