: Mehr als Kasperltheater
■ Kinderstücke auf Kampnagel und im Fundus Theater
Wer immer noch glaubt, Kultur für Kinder sei allenfalls Kasperltheater und für Erwachsene sowieso nix, der kann sich am kommenden Wochenende vom Gegenteil überzeugen lassen. Zum Beispiel von Max Vandervorst bei seiner Symphonie für weggeworfene Dinge auf Kampnagel im Rahmen des KinderKinder-Festivals. Zwischen Amsterdam und Montreal, Kinshasa und Jerusalem hat der Belgier Hörwillige ab sechs Jahren mit seinen dem Sperrmüll entliehenen Musikinstrumenten begeistert.
Gießkannensolo, dreisätzige Sonatine für Wasserkessel, Intermezzo mit Steinmarimba und Harmoniumbegleitung, Wasserflaschenflöten-Märchentöne, Blumentopfglockenspiel, Zirkuspolka mit Gurkentopfsteeldrums, Quietschpuppen-Samba, Konzert für Staubsauger im Brötzmannsound oder Besenbass stehen auf dem Programm. Hier kündigt sich aber keine wüste Kakophonie an. Vielmehr geht es Vandervorst darum, aus alltäglichen Gegenständen musikalische Akzente herausklingen zu lassen.
Ohne Worte entführt der absonderliche Musiker auf eine Reise durch die Welt der leisen Töne, der klangvollen Rhythmen und einfühlsamen Melodien. Man sagt ihm nach, er packe seine Zuhörer an der Seele. Und überall bescheinigt man ihm höchste musikalische Kreativität, Humor und unbedingten Vorbildcharakter in der Würdigung von Musik jenseits der im Bildungskanon verankerten Tonskalen und Klangkörper. Statt Klavier und Blockflöte eben Toaster und Fahrradlenker. Ein französischer Kritiker bedauerte schwer, am Vortag einen alten Blumentopf weggeschmissen zu haben. Andere warnen vor Zweckentfremdung morgendlicher Müslischüsseln nach dem Konzertgenuss.
Im Fundus Theater ist derweil Igeltreffen. In Jakob, Frieda und die schwimmende Insel tummeln sich zwei Stacheltiere im Plüschtierformat und entdecken Gemeinsamkeiten. Oder Unterschiede? Das Holzwurm Theater gastiert hier mit seiner Premiere, bei der wieder der Protagonist aus dem Erfolgstück Jakob, ein Igel lernt fliegen die Hauptrolle spielt. Darin hatte der einsame Inselbewohner von den Möwen gelernt, sich der Alltagssorgen fliegenderweise zu entledigen. Auch dieses Stück von Petra Erlemann und Jens Heidtmann verspricht eine philosophisch angehauchte Geschichte fern jeden Kasperltheaters.
Oliver Törner
Kampnagel: Sa + So, je 16 Uhr, Tel.: 27 09 49 49; Fundus Theater: Sa, 16 Uhr, % 250 72 26
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