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Sparen in einer armen Stadt

Darin sind sich alle einig: Der neue Senat muss einen strikten Sparkurs fahren. Personalausgaben sollen deutlich reduziert werden, und der Bund soll Berlin unter die Arme greifen. Noch keine Lösung für wirtschaftlich wichtige Großprojekte

von RICHARD ROTHER

In einem sind sich alle einig: Es müsse gespart werden, heißt es aus den Parteien. Nur in Nuancen gibt es in den Vorstellungen Unterschiede, die Ausgaben des Landes zu drosseln. Dabei ist die Aufgabe, die Einnahmeseite langfristig zu stärken, im Moment dringender denn je: Keines der für die wirschaftliche Basis der Stadt wichtigen Projekte ist in den vergangenen Monaten vom Fleck gekommen – die Zukunft der Bankgesellschaft ist ebenso ungeklärt wie die Realisierung des Flughafens Schönefeld, und die Bildung eines nordostdeutschen Stromkonzerns unter Einschluss der Bewag mit Sitz in Berlin ist wohl kaum mehr als ein schöner Traum.

Direkt nach der Wahl stehen wichtige haushaltspolitische Entscheidungen an. Nach dem wegen der Bankenkrise katastrophalen Haushaltsjahr 2001 muss der Haushalt des kommenden Jahres verabschiedet werden, mittelfristig wollen zudem alle Parteien strukturelle Einsparungen in Milliardenhöhe erzielen. In erster Linie sollen die Personalkosten des Landes um rund eine Milliarde Mark jährlich gekürzt werden. Dazu befürworten alle einen deutlichen Personalabbau im öffentlichen Dienst. Während PDS und Grüne betriebsbedingte Kündigungen vermeiden wollen, schließt die FDP diese explizit nicht aus. Bis zum Ende des Jahrzehnts wollen die meisten Parteien die Neuverschuldung auf Null reduzieren, die FDP möchte dieses Ziel bereits in den nächsten fünf Jahren erreichen.

Einsparungen allein reichen allerdings nicht aus, die wirtschaftsschwache Stadt zu sanieren – nicht einmal die Hälfte der Landesausgaben ist durch Steuereinnahmen gedeckt. Finanzverhandlungen mit dem Bund sind deshalb nach der Wahl auf der Tagesordnung. Sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat schon durchblicken lassen, Berlin stärker unter die Arme greifen zu wollen. Die Wünsche, die alle Berliner Parteien hegen, sind groß: Die PDS fordert etwa ein Milliarde Mark jährlich vom Bund, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu dem Schluss, dass Berlin aufgrund seiner „Haushaltsnotlage“ Ansprüche in Milliardenhöhe habe.

Das wichtigste wirschafts- und finanzpolitische Thema der Nachwahlzeit ist die Zukunft der Bankgesellschaft. Für den Senat geht es zunächst darum, einen Teil der rund vier Milliarden Mark zurückzuholen, die zur Rettung des maroden Finanzkonzerns aufgebracht werden mussten. Berlin als Mehrheitsaktionär erwartet sich von potenziellen Investoren ein entsprechendes finanzielles Engagement. Der Senat, egal welcher Coleur, wird zudem darauf drängen, möglichst viele Arbeitsplätze in Berlin zu behalten, die Bank als Ganzes und die Stadt als Bankstandort zu erhalten.

Diese Ziele sind äußerst schwierig umzusetzen, zumal den potenzielle Investoren anderes vorschwebt. Bankexperten befürchten, dass die Pläne der Norddeutschen Landesbank (NordLB) auf eine Zerschlagung des Berliner Bankkonzerns herauslaufen.

Auch die Offerten der guten Onkel aus Amerika, die US-Investorengruppe Flowers und die Texas Pacific Group, haben ihre Haken. Die Preisvorstellungen schmecken dem Senat offenbar nicht. Problematisch ist zudem das Ziel des Engagements derartiger Investorengruppen: Ähnlich wie Risikokapitalgesellschaften wollen sie sich nicht langfristig an ein Unternehmen binden, sondern ihre Anteile nach einer erfolgreichen Sanierung Gewinn bringend verkaufen. Auf solche Verkaufsentscheidungen hätte das Land dann keinen Einfluss mehr, Rosinenpickerei wäre wahrscheinlich.

Die Finanzierung des Flughafen Schönefelds ist das nächste drängende Thema. Bis Ende Oktober sollen Investoren um den Essener Baukonzern Hochtief und die Bonner Immobiliengruppe IVG ein neues Angebot vorlegen. Das Kaufangebot in Höhe von 50 Millionen Mark hatte der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer als „sittenwidrig“ bezeichnet, bei der ersten Fughafenprivatisierung hatte Hochtief noch 650 Millionen Mark geboten. Zudem verbleiben bei dem neuen Angebot enorme finanzielle Risiken beim Land Berlin. Die Verhandlungsposition des Senats hat sich allerdings nach den New Yorker Terroranschlägen weiter verschlechtert, weil hohe Zuwachsraten im Flugverkehr zumindest mittelfristig kaum zu erwarten sind. Wer baut schon einen teuren Flughafen, wenn ihn dann keiner nutzt?

Nach wie vor unklar ist die Zukunft der Bewag. Nach den Vorstellungen des Vorgängersenats sollte der Berliner Stromversorger zentraler Bestandteil eines neuen nordostdeutschen Stromkonzerns werden. Das ist zunächst gescheitert, weil sich die beiden Bewag-Haupteigner, die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) und der US-Konzern Mirant nicht auf eine gemeinsame Führungsstruktur einigen konnten. Der neue Konzern soll nun ohne die Bewag gebildet werden. Bewag-Sprecher Siegfried Knopf: „Wir stehen für uns allein, und wir werden unseren Weg gehen. Der neue Senat wird versuchen, die beiden rivalisierenden Stromkonzerne wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Der Erfolg ist indes äußerst ungewiss.

Mit Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) ist auch in einem neuen Senat zu rechnen. Die von den Grünen nominierte Wirtschaftssenatorin Juliane Freifrau von Friesen gilt als chancenlos. Bei einer Ampelkolition könnte Günter Rexrodt (FDP) für diesen Posten ins Gespäch kommen.

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