Unhappy birthday

Trau keinem über 30: Am Ende will Stefan Jägers Dogma-Format-Film „birthday“ doch nur die unterschiedlich gezeichneten Lebensentwürfe seiner Protagonisten versöhnen

Im Jahr 2000 hatten viele so eine Verabredung: ein lange zuvor festgelegtes Treffen an einem bestimmten Ort am Tag jener berühmten Zeitenschwelle, die – ob als Jahrhundert- oder Jahrtausendwechsel – so schnell nicht wiederkehren wird. Als die Jahrtausendwende noch in ferner Zukunft lag, besaß diese Art Blind Date mit Menschen, die man mal gekannt hatte, einen gewissen Reiz. Letztlich erwiesen sich diese Zusammenkünfte dann nur als eine weitere Variante herkömmlicher Klassentreffen mit lästigen Fragen nach Karriere- und Familienstand.

Ganz ähnlich ergeht es dem Zuschauer in „birthday“, wo vier Jugendfreunde – Bibiana, Tamara, Claudio, Harald – das Versprechen einlösen, ihre 30. Geburtstage miteinander zu verbringen. Doch was als interessantes Aufeinanderprallen von Lebensentwürfen beginnt, die sich vom gemeinsamen Ursprung wegentwickelt haben, endet dann doch nur in einer esoterisch angehauchten Beschwörung des „ewigen Kreislaufs“, in der die skizzierten Unterschiede gleich wieder eingeebnet werden.

Die Idee zu solchen Arrangements entsteht ja meist in jugendlichen Köpfen, zu einer Zeit, in der die eigene Verwandlung in etwas Ungewöhnliches, Überraschendes oder auch Erfolgreiches unmittelbar bevorzustehen scheint. Diese frohe Erwartung schließt ein, dass man die augenblicklich besten Freunde aus den Augen verliert, weshalb sie dann in der Zukunft ein geeignetes Publikum für die erfolgte Entwicklung abgeben. Bibiana, die in Stefan Jägers Film als Letzte der vier 30 wird, toppt allerdings solche Erwägungen durch eine ultimative Tat: Sie lädt ihre Freunde quasi dazu ein, Zeugen ihres Selbstmords zu werden. Als die in ihre Wohnung kommen, finden sie dort zuerst die liebevoll für sie bereitgestellten Geschenke und kurz darauf die bereits bewusstlose Freundin. Aus dem sich anschließenden Rettungsversuch versucht „birthday“ seine Spannung zu beziehen – in Rückblenden wird nun von den übrigen Geburtstagen erzählt.

Mit Handkamera, improvisierten Dialogen und Figuren, die denselben Vornamen tragen wie die Schauspieler, die sie verkörpern, will Jägers in zehn Tagen heruntergedrehter Film so viel Authentizität wie nur möglich ausstrahlen. Und weil heutzutage das wirkliche Leben in der Dokusoap am echtesten wirkt, sind in den chronologischen Ablauf der Begegnungen Interview-Passagen mit den Figuren eingefügt, ganz im Stil der Befindlichkeits-Statements des Container-Fernsehens. Diese etwas angestrengte Nachahmung diverser Dogma-Formate wird dankenswerterweise ergänzt durch bekannte Elemente des „Wiedersehens mit alten Freunden“-Genres. Von der alten Liebe über den falschen Verlobten, das Coming-out und das pikante Geheimnis bis hin zum Tod, der zusammenbringt, was zusammengehört, ist dann doch alles dabei, was die vorgestellten Klassentreffen letztlich so viel aufregender macht als die realen. BARBARA SCHWEIZERHOF

„birthday“. Regie: Stefan Jäger. Mit Bibiana Beglau, Tamara Simunovic, Claudio Caiolo, Harald Koch, Wilfried Hochholdinger, Bernd Moss u. a. Deutschland/Schweiz 2001, 90 Minuten