: Sechs Männer, 38 Seiten, vier harte Jahre
■ Rechtskoalition paraphierte die Liste ihrer angekündigten Drohungen
So kurz vor dem Ziel seiner Träume bekam Ole von Beust sich gar nicht mehr ein vor Freude. Dieser Koalitionsvertrag sei „eine hervorragende Grundlage für eine hervorrragende Regierung“ und dieser Tag „ein hervorragender Auftakt für mindestens vier Jahre“. Sprachs, paraphierte im Kaisersaal des Rathauses mit seinem Kürzel das 38-seitige Werk, und fünf weitere Herren taten es ihm gleich. Ebenso wie der künftige Erste Bürgermeister von Beust dokumentierten CDU-Parteichef Dirk Fischer, Ronald Schill und Mario Mettbach (Schill-Partei) sowie die Freidemokraten Rudolf Lange und Reinhard Soltau damit, dass sie es wirklich ernst meinen: Der Rechtsblock will diese Stadt nicht nur mindestens vier Jahre lang regieren, er will eine andere Stadt.
Nur zweieinhalb Wochen haben die Verhandlungsführer der drei Rechtsparteien gebraucht, um ihre Vorstellungen in Schriftform festzuhalten. Die Sicherung der Inneren Sicherheit mit allen Mitteln zu Lande, zu Wasser und in der Luft steht ganz oben auf der Liste ihrer Drohungen, die autogerechte Stadt und der Ausverkauf öffentlicher Unternehmen folgen. Überall gilt künftig der Grundsatz, dass Leistung sich wieder lohnen müsse: In Schule und Hochschule, bei der Arbeit und in der Sozialpolitik sollen, so heißt es in der Präambel, „die Leistungsstarken und Leistungswilligen“ gefördert werden, den anderen werde nur geholfen, wenn sie „wirklich Hilfe brauchen“.
Vor seiner verbindlichen Unterzeichnung muss der Koalitionsvertrag noch von Parteigremien der CDU und FDP gebilligt werden. Bei der Schill-Partei bevorzugt man den kurzen Prozess: Bereits am Mittwoch stimmte die 25-köpfige neue Bürgerschaftsfraktion zu, das muss reichen. Die Union wird heute auf einem Kleinen Parteitag im CCH dem Werk ebenfalls zustimmen. Die Partei findet nahezu sämtliche Forderungen aus ihrem Wahlprogramm im Regierungsvertrag wieder, sie stellt den Ersten Bürgermeister und die meisten Senatoren.
Allerdings grummeln Einzelne aus der Bürgerschaftsfraktion, denn keinen einzigen Abgeordneten befand von Beust für ministrabel. In Sonderheit Fraktionsvize Roland Salchow, der gerne Umwelt- und Verbraucherschutzsenator geworden wäre, und Haushaltsexperte Michael Freytag sind vergrätzt. Letzter soll nach dem Willen von Beusts mit dem Posten des Fraktionschefs entschädigt werden. Trotz individueller Verletzungen gilt aber eine überwältigende Mehrheit für den Vertrag als sicher.
Nicht ganz so siegesgewiss kann FDP-Admiral Lange am Montag vor seinen Parteitag treten. Bei den Liberalen ist die Enttäuschung groß, dass sie nur einen statt der erhofften zwei Senatoren stellen dürfen. Allerdings wird es sich die FDP kaum leisten können, die Koalition, die auch sie wollte, an Postensucht scheitern zu lassen.
Sven-Michael Veit
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