TERRORZIEL AKW: LUFTABWEHRRAKETEN SIND KEIN SCHUTZ
: Neunzehn nukleare Sprengsätze

Nun ist es also soweit: Die Franzosen beschützen ihre heikelste Atomanlage militärisch vor Terroranschlägen. Rund um die Wiederaufarbeitungsfabrik in La Hague wird Luftabwehr in Stellung gebracht. Und wir sehen aus Deutschland ratlos zu: Ist das nun notwendig oder Panikmache?

Es ist beinahe komisch: Wir sind das Heimatland der „German angst“ vor allen möglichen Umweltkatastrophen. Ausgerechnet die Franzosen, die sich immer darüber lustig gemacht haben, schreiten nun zur Tat. Das deutsche Innenministerium hingegen lehnt Flugabwehr als sinnlos ab: Die Flugschneisen führten zu nah an unseren Atommeilern vorbei. Es bliebe nicht genügend Zeit, um zu reagieren – schließlich könnte ein Urlaubsjet auch aus Versehen vom Kurs abkommen.

Sicher haben wir kulturell mehr Berührungsängste mit einer Flugabwehr als die Franzosen. Doch kann das ein Argument sein, nicht wenigstens ein paar entlegenere Kraftwerke mit Raketen zu sichern?

So weit ist es also gekommen: Der Alltag militarisiert sich. Plötzlich muss man sich Gedanken machen über die tägliche Luftabwehr rund ums AKW. Die Logik der Atomkraft macht uns hilflos, empfindlich angreifbar. Sie folgt dem Motto: Hohes Risiko mal geringe Wahrscheinlichkeit ergibt ein akzeptables Restrisiko. Doch so klein ist dieser Rest nicht, schon gar nicht die Gefahren von Terror und Krieg. Es war immer klar, dass sie viel wahrscheinlicher eintreten als technisches Versagen.

Zur Logik der Atomkraft gehört auch der Zwang zum Mammutprojekt. Was für eine Macht man sich da geschaffen hatte, mussten schon die Grünen beim Ringen um den Ausstieg erleben. Wer weiß: Wenn wir nur einen Atommeiler hätten, wäre der jetzt aus Sicherheitsgründen vielleicht schon vom Netz.

Aber wir haben 19 Meiler, die ein Drittel des Stroms produzieren. Sie abzuschalten wäre teuer und ihre Energie auf die Schnelle schwer zu ersetzen. Ist es denkbar, dass ein Politiker es auf sich nehmen würde, sie wirklich herunterzufahren, wenn es „konkrete Hinweise“ gäbe? Wohl kaum.

Die Koalition zog sogar einen Antrag der Grünen auf eine aktuelle Stunde im Bundestag in dieser Woche wieder zurück. Bloß niemanden beunruhigen! Auch die Grünen klammern sich ängstlich an ihren ausgehandelten Atomkonsens. Niemand will ihn gefährden. Dabei stehen gerade jetzt die Chancen besonders gut, die Union dazu zu zwingen, den Ausstieg nicht mehr zu torpedieren.

Machen wir uns nichts vor: In Deutschland stehen 19 nukleare Sprengsätze. Es ist unmöglich, sie hundertprozentig vor Terroristen zu schützen.

MATTHIAS URBACH