: Kunst im Kalten
■ Wie die Abschaltung eines Heizwerkes fast einen wichtigen Teil der Off-Kultur mit stillgelegt hätte: Den Güterbahnhof
Am Wochenende fuhr die Kultour-Bahn von Radio Bremen und Architektenkammer zum Güterbahnhof, um die „produktiven Provisorien“ der dortigen Künstlerprojekte vorzuführen. Ein paar Stunden später brach das Provisorium dann zusammen – in Gestalt einer kaputten Heizungspumpe, eines stillzulegenden Fernheizwerkes und der damit begründeten Kündigung durch den Vermieter.
Ob „Woyzeck“, die „Woche voller Samstage“ oder die „Vagina Monologe“ – die Produktionen des Jungen Theaters (und zahlreiche Gastspiele) standen plötzlich auf der Kippe. Denn frierende Zuschauer sind abwesende Zuschauer. Schlimmer noch war die Kündigung der Räume zum 31. März kommenden Jahres durch die „Vivico“-Gesellschaft, einer Tochter der Bahn AG, die das Gelände wiederum über die Allianz verwalten lässt. Auch hierfür wurden heizungstechnische Gründe genannt: eben die Abschaltung des Fernheizwerkes, das das Gelände mit Wärme versorgt. Doppelt bitter für das „Junge Theater“: Die schon lange in Aussicht stehende Schwankhalle in der Neustadt (zu deren Betrieb kürzlich ein Trägerverein unter Einbeziehung des „Quartier e.V.“, der „steptext dance company“ und der MusikerInnen-Initiative Bremen gegründet wurde) kann erst zum 1. Januar 2003 bezogen werden. Schon war von einem endgültigen Aus für die engagierte (mittlerweile zehnjährige) Arbeit des Theaters die Rede – denn ein weiterer Zwischenumzug hätte das Team und seine Mittel überfordert.
Gestern bemühte sich die „Vivico“ um eine Beruhigung der Situation. Mit dem Jungen Theater werde über eine fortgesetzte Nutzung des Güterbahnhofs bis zum Einzug in die Schwankhalle verhandelt. Schon würden Gasheizsysteme als Ersatz für die Fernwärme geprüft, auch die Pumpe sei r epariert. „Vivico“-Sprecher Wilhelm Brandt: „Wir wollen niemanden aus dem Güterbahnhof verdrängen“. Langfristig strebe seine Gesellschaft eine Mischnutzung der Fläche unter Einbeziehung von Kultur an. Das Fernziel: Die „Vivico“ entwickelt das Gelände, um es dann als Komplettpaket zu verkaufen.
Zurück zu den Problemen der derzeitigen Nutzer: Eine zweite MieterInnengruppe steht ohne Aussicht auf Schwankhalle oder Vergleichbares da: Der „Verein 23“, der den hinteren Teil des Güterbahnhofs als Atelierfläche für 80 KünstlerInnen angemietet hat – das größte Atelier in Bremen und der weiteren Region. Seit Anfang 1998 – als Nachfolgequartier zur Matratzenfabrik – arbeiten hier Druckgrafiker, Netzkünstler, Architekten, Videokünstler und Maler. Irgendwo dazwischen probt noch das Theater „Express-Gut“, die Galerie Herold präsentiert monatlich die Arbeiten der Güterbahnhöfler.
Auch ihnen wurde zum 31. März gekündigt. Olaf Schultz vom Vorstand des „Vereins 23“: „Wir setzen unsere Hoffnungen jetzt in Nachverhandlungen mit dem Vermieter – bei denen natürlich die Gefahr besteht, dass sich die Quadratmeterpreise erhöhen.“ Auch nach Heizungs-Sponsoren solle gefahndet werden...
HB
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