: Man macht, was man kann
Zu vage und nicht wirklich nouvelle: Beim ersten Kreuzberger „Filmsquat“ gab es jede Menge Filme. Noch ist aber nicht klar, wie man ins Gespräch kommen soll
Beim ersten Kreuzberger „Filmsquat“ wurden einem „Filme aus, über oder von Kreuzberg weg“ versprochen. Filme, die irgendwie „einen Bezug zu Kreuzberg als Ort – sagen wir mal – von Dissidenz“ haben. So wichtig sei Kreuzberg zwar auch wieder nicht, meint Suzan Beermann vom gastgebenden Eiszeit Kino. Aber sie sei wütend darüber, dass alle nach Mitte rennen, weil sie glauben, da sei jetzt die Kultur.
Auch Stefan Geene vom Mitveranstalter „b_books“ hängt die konzeptionelle Latte eher tief. Um den Buchladen hat sich ein loses Kollektiv gebildet, wie man sie überall in der Stadt findet: Leute, die ähnliche Dinge wollen und verschiedene Sachen machen. „Filmsquat“ diene zunächst einmal der Sichtung von Filmen, damit man sehe, wo man steht und wer da vielleicht neben einem steht. Selbst wenn man dann nicht ins Gespräch miteinander komme, habe man was gelernt, nämlich dass man nicht mit jedem kann.
„Wer nicht auf der Filmhochschule ist, hat es schwer“, glaubt Antye Zyngast, Studentin an der HFF Konrad Wolf. Für ihren Film „Death/Taxes“ – das Porträt eines Ex-GIs, der seit dem Abzug der US Army als Fotograf für die Gerichtsmedizin arbeitet – hatte sie immerhin einen soliden logistischen Hintergrund. Ihr stilistisch ausgereifter Film gab der Vermutung Recht, dass viele gute Arbeiten unentdeckt bleiben, weil Kurzfilmprogramme wie der „Filmsquat“ immer seltener werden. Wie die meisten sucht sie hier eher den Kontakt zum Publikum als zu anderen Filmemachern. Die Erfahrungen mit „Death/Taxes“ ließen sie zweifeln, inwieweit sich ein Film zum Kollektivprojekt eignet. Schon während der Dreharbeiten hat sie sich mit dem Regieassistenten derart zerstritten, dass der nun an einer eigenen Schnittversion arbeitet.
Ganz allein hat Birgit Krah einen Film über Carl Weissner gemacht, der als Charles Bukowskis Übersetzer bekannt wurde. „Ich hasse es, wenn die Diskussion über den Film länger ist als der Film selbst“, meint sie. Da ihr Porträt aus Budgetgründen ein Kurzfilm wurde, ist die Zeit für das anschließende Frage-und-Antwort-Spiel demzufolge begrenzt. Warum gerade der? Warum gerade so? „Man macht das, was man kann“, behauptet der Filmtitel lapidar. Viel mehr gibt es nicht zu sagen. Birgit Krah kommt eigentlich aus der bildenden Kunst und ist mehr oder weniger zufällig zum Filmen gekommen. Will man da nicht Kontakte knüpfen? Etwa mit Christian Petzold, der ja seit „Die innere Sicherheit“ unter bequemeren Bedingungen Filme machen kann als die meisten. Der hat aber Verständnis dafür, wenn man sich mehr für die Filme interessiert als für die Leute, die sie machen. Während sich Petzold und Thomas Arslan als potenzielle Protagonisten einer Kreuzberger Filmszene miteinander im Foyer unterhielten, versuchte man im überfüllten Saal, die Mal-sehen-Haltung zu wahren, die das Programm nahe legte. Was dort kühn als „Kreuzberger Nouvelle Vague“ präsentiert wurde, war einigen dann aber doch zu vage und nicht nouvelle genug. Bald kamen Erschöpfungssymptome auf, wie man sie sonst nur von Festivals kennt: Füßescharren, Saalverlassen.
Wer da schon ging, verpasste „Fear of a Kanak Planet“ von Kim Gast und Ready Made Production, der vielleicht dem am nächsten kam, was sich einige unter Kreuzbergfilmen vorgestellt hatten. Ein böses, stolzes und selbstironisches Pseudoporträt eines Kanaken, wie er in so manchem Buche steht – und wie es ihn nur in Kreuzberg gibt. Oder nicht? „Kreuzberg nervt“, meint der und geht, nachdem er uns 20 Minuten lang das Revier zwischen O-Straße und Görli gezeigt hat. Aber wohin geht er? Etwa nach Mitte? „Filmsquat“ wird es nun regelmäßig geben. In Kreuzberg. TOBIAS HERING
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