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Wowereit macht an der Ampel Halt

FDP und Grüne sind bereits heute zu ersten Gesprächen mit der SPD eingeladen. Schröder: Erster Blick fällt auf Ampel. SPD schließt Bündnis mit Gysi allerdings noch nicht aus. PDS blitzt mit ihrem Vorschlag für Rot-Rot-Grün ab

Trotz des überraschenden PDS-Wahlerfolgs deuten zunächst alle Zeichen auf eine rot-gelb-grüne Ampelregierung. Die SPD werde zuerst mit ihrem Koalitionspartner, den Grünen, sprechen, dann mit der FDP und dann mit der PDS, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern. Wowereit verwies zwar darauf, dass in Ostberlin fast jeder Zweite die PDS gewählt habe. Die Frage der Stabilität sei jedoch nicht nur eine Frage der Zahl: „Eine große Mehrheit kann auch instabil sein, wie wir bei der großen Koalition gesehen haben.“ Eine Ampelregierung würde im neuen Abgeordnetenhaus nur über eine Mehrheit von zwei Mandaten verfügen. Ein rot-rotes Bündnis könnte sich hingegen auf eine Mehrheit von 6 Mandaten stützen. Die SPD hat die Grünen und die FDP bereits für heute zu ersten Gesprächen eingeladen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach sich gestern ebenfalls für die Bildung einer Ampelkoalition aus. Der „erste Blick“ bei der Bildung einer Koalition sollte sich auf eine solche Lösung richten. Schröder verwies darüber hinaus auf Umfragen, nach denen drei Viertel der SPD-Wähler eine Ampelkoalition befürworteten. Eine rot-rote Regierung scheint damit vorerst zweite Wahl, wird aber nicht definitiv ausgeschlossen. Die SPD-Strategen befürchten trotz großer programmatischer Übereinstimmung mit der PDS auf Landesebene offenbar, bundespolitisch wegen der ablehnenden Haltung der PDS zum Krieg gegen das Taliban-Regime unter Druck zu geraten.

Zuvor hatte die PDS versucht, der SPD über diese Hürde zu helfen. Eine rot-rot-grüne Regierung werde an der PDS nicht scheitern, betonte PDS-Spitzenkandidat Gregor Gysi. Allerdings sei dies keine Traumvariante. „Natürlich ist es zu dritt immer schwieriger als zu zweit.“ Zudem warnte Gysi die SPD davor, das Wählervotum zu ignorieren. Wen dieses Ergebnis nicht interessiere, der verzichte auf die innere Einheit der Stadt. „Das wäre eine direkte Spaltungsentscheidung.“

Für eine rot-rot-grüne Regierung hätten immerhin mehr als drei Fünftel der Wähler votiert, sagte PDS-Fraktionsprecher Günter Kolodziej. „Das ist eine Alternative zur Ampel.“ Die Grünen müssten nun ihrer Basis erklären, warum sie eine hauchdünne Mehrheit mit den Liberalen bilden wollten, in deren Fraktion zwei rechte Abgeordnete säßen.

Die Grünen-Spitzen Wolfgang Wieland und Sibyll Klotz lehnen eine rot-rot-grüne Verbindung kategorisch ab, weil die Grünen rein rechnerisch nicht gebraucht würden. „Da macht man sich zum Hanswurst“, so Justizsenator Wieland. Wenn man kein Drohpotenzial habe, könne man in einer solchen Koalition nichts ausrichten. Auch Klaus Wowereit konnte gestern in einer solchen Konstellation keinen Sinn entdecken.

Die Chancen für eine Ampelkoalition sehen die Grünen allerdings skeptisch. „Solche Gespräche können scheitern“, so Fraktionssprecher Matthias Tang. „Wir wissen noch gar nicht, mit wem wir es da zu tun haben.“

Die FDP signalisierte gestern erneut ihr deutliches Interesse an einer Ampelkoalition. „Wir wollen eine stabile Regierung diesseits der PDS“, so Spitzenkandidat Günter Rexrodt. Eine Koalitionsvereinbarung könne sebstverständlich nicht „Liberalismus pur“ sein. Diese müsse aber eine „liberale Handschrift“ tragen. Beim „Abbau der Überbeschäftigung im öffentlichen Dienst“ und bei der Privatisierung des Landeseigentums könne sich die FDP mit den Grünen sicher einigen.

Schwierigkeiten sieht Rexrodt hingegen bei der Schul- und vor allem bei der Verkehrspolitik. Berlin brauche den Flughafen Schönefeld. Zudem dürfe man nicht nur Busse und Bahnen fördern, sondern müsse auch den inneren Autobahnring endlich schließen. RICHARD ROTHER

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