: „Abschied von Bremen-zentrierter Kultur“
■ Am 1. November startet – in Kooperation mit dem NDR – das NordwestRadio und ersetzt damit Radio Bremen Zwei
„Es ist ein schmerzlicher Prozess, aber zusammen mit dem NDR auch ein sehr konstruktiver“ – so fasst Dirk Hansen, neuer Programmdirektor von Radio Bremen, die Entstehungsgeschichte des NordwestRadios zusammen. Am ersten November geht es auf Sendung.
Das so ersetzte Radio Bremen Zwei stellte das größte Einsparpotential im Hörfunk von Radio Bremen dar, das bis 2006 seinen Haushalt um ein Viertel (50 Millionen Mark) zusammenstreichen muss. Nach dem Zusammenschluss von Hansawelle und Radio Melodie und der Neupositionierung von Radio Bremen 4 als Jugendradio stellt die neue Welle die bisher größte Reformanstrengung des Senders dar. Eine Alternative zu der Kooperation mit dem NDR habe es nicht gegeben, betonte Hansen: Andernfalls hätte Bremen ein zugeschaltetes Programm mit lokalen Fenstern senden müssen.
Die neue Welle werde eine „anspruchsvolle neue Mischung“ aus Wort und Musik senden, verspricht Programmleiter Werner Blinda. Keine bestimmte Altersgruppe sei anvisiert, es werde Klassik, Jazz, Songwriter und Chansons aufgelegt. Dazu gibt es Lese- und Literaturzeit, Wissenschaftsendungen und die Kinderzeit. Auch die Hörspieltradition der Vorgängerwelle wird fortgeführt (mit plattdeutschen Anteilen) – das Ganze strukturiert in den drei Programmschienen „Musikzeit“, „Kulturzeit“ und „Nordwestzeit“ und werbungsfrei, zumindest vorläufig. Nachrichten zur halben Stunde , jedesmal mit Wetter und Verkehrsinfo, zur vollen Stunde hingegen gibt's Musik.
Ein entscheidender Unterschied zum Vorgängerprogramm: Die neue Welle ist eine Regionalwelle. Vor allem „links der Weser“ wolle man Flagge zeigen – im Umkehrschluss heißt das: „Abschied von einem bremenzentrierten Kulturbegriff“, wie Hansen formulierte. „Das Kulturradio war in die Jahre gekommen“, sagt Hans Dieter Heimendahl, seit kurzem Vize-Programmdirektor von Radio Bremen, eine Modernisierung sei ohnehin überfällig gewesen. Bremen Zwei habe zwar „Meilensteine“ gesetzt, diese Entwicklung aber nicht konsequent genug fortgesetzt. Immerhin: An die „Tugenden“ von Radio Bremen Zwei solle angeknüpft werden.
Das NordwestRadio will auch die Nichthörer, rund 400.000 im Sendegebiet, ans Radiogerät locken. Partnerschaftlich habe man sich darauf geeinigt, auf mittlere Sicht für das NordwestRadio einen Marktanteil von drei Prozent zu erreichen. Hohe Erwartungen an ein Programm, das eine qualifizierte Minderheit ansprechen und mit anderen Programmen nicht konkurrieren soll. Radio Bremen Zwei schaffte es gerade mal auf einen Marktanteil von 1,3 Prozent.
Trotz Innovation und neuem Programm, der Rotstift hat gewütet. Der Etat für das NordwestRadio ist mit 12 Millionen Mark um rund fünf Millionen niedriger als der für die bisherige Welle Radio Bremen Zwei. Zu diesem Etat steuert der NDR die Hälfte dazu. Arno Beyer, Direktor des Landesfunkhauses in Hannover, nennt als Gründe für diese Unterstützung neben „Solidarität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ und „tätiger Nachbarschaftshilfe“ die eigene Standort-Stärkung: Drei neue Korrespondentenbüros in Vechta, Wilhelmshaven und Zeven hat der NDR eingerichtet und stärkt damit seine Position im Sendegebiet– das bundesweit dichteste Korrespondentennetz entstehe, so Beyer.
Während der vielen Gespräche, die Radio Bremen und der NDR über die Gestaltung des neuen Programms geführt haben, seien „viele Steine aus dem Weg geräumt worden“, so Hansen. Abzuwarten bleibt, wie es in fünf Jahren aussieht. Dann läuft der Kooperationsvertrag aus und es heißt wieder neu verhandeln.
Kulturschaffende, vor allem in Bremen, müssen sich auf härtere Zeiten gefasst machen. Radio Bremen Zwei unterstützte zahlreiche Kulturveranstaltungen, auch durch Mittschnitt-Honorare. Das kann das neue NordwestRadio nicht leisten: Die Ausgaben werden um zwei Drittel auf unter 400.000 Mark gekürzt – verteilt auf eine wesentlich größere Region. Der Abschied von Radio Bremen Zwei wird also nicht nur im Äther zu spüren sein. HB, Silke Häußler
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