■ Da ist ja was in die taz reingerutscht! Reaktionen zum Schlagloch von M.Rutschky: Lieber kindlich bleiben
betr.: „We don’t want Papa Sam“, taz vom 24. 10. 01
Michael Rutschky hat vielleicht Recht, die reflexartige Anklage des US-Kapitalismus als kindliches Benehmen zu bezeichnen. Er scheint mir dabei die dankbare Rolle des moderierenden Großvaters einzunehmen, der sich aus allem heraushält.
AXEL BOJANOWKSI, Hamburg
Schön analysiert, dieser eine Aspekt der Debatte. Und wie sieht jetzt eine erwachsene Haltung zur Welt aus? [. . .]
Ich war auf dem Attac-Kongress. Ja, der angesprochene Aspekt ist auch dort stark vorhanden und gehört zum nervigsten Teil der Debatte, wie auch Bettina Gaus und Daniel Cohn-Bendit leidvoll erfahren mussten. Da braucht es erwachsene Reaktionen. Gaus und Cohn-Bendit haben sie. Michael Rutschky in seinem Beitrag ganz sicher nicht. MATTHIAS HUFNAGEL, Hamburg
Ach Gott ja, er hat ja Recht. Wir kindischen Antiamerikanisten. Immer dieses ohnmächtige Gequengel wegen bisschen Ungerechtigkeit und Heuchelei. Und unser „blöder Scharfsinn“, der völlig übersieht, wie gut es doch zusammenpasst, wenn die USA zusätzlich zu ihren Streubomben Propagandapakete über vermintem Gelände abwerfen . . . Ohne mich jetzt über die komplett einseitige und zum Glück nur auf einen kleinen Teil der Globalisierungskritiker zutreffende „Analyse“ Rutschkys weiter auslassen zu wollen: Ist es nicht so, dass Kinder irgendwann gegen die Eltern rebellieren müssen, um endlich erwachsen zu werden? Und müssen sie sich später nicht mit ihrer Beziehung zu diesen Eltern beschäftigen, um deren Fehler nicht einfach zu wiederholen? Schade, dass Rutschky zu intelligent ist, um das Risiko konstruktiver Vorschläge einzugehen. MARTIN MEYER-STOLL, Marburg
Einem Menschen, der in mehrfacher Wiederholung seine Verachtung für Leute zum Ausdruck bringt, die nicht seiner Meinung sind, überlasst ihr einen herausragenden Platz in der taz. In einer bemühenden und bemühten Analogie versucht er darzustellen, was mündige und erwachsene BürgerInnen zu denken haben. Ich kann nur hoffen, dass die erwähnten Werke des Herrn Rutschky ohne diese platten Schwarzweißmalereien und ohne Verunglimpfung von anders Denkenden auskommen. [. . .]
UWE SCHEIBLER, Göttingen
Die Joschka-Generation hat schon immer genervt mit ihren „Erhobenen Zeigefinger“-Belehrungen. JÖRG LANGERBECK, Aachen
Aus der höchst komplexen Situation kann man meines Erachtens den einen Schuldigen nicht ausmachen, weil es ihn nicht gibt. Es sind nicht allein die Taliban, wie Sie meinen, aber auch nicht allein die USA. Doch was soll das eigentlich für einen Sinn machen, den allein Schuldigen zu finden? Legen Sie nicht eine zutiefst unmenschliche Haltung an den Tag, wenn Sie vertreten, dass nur derjenige sich um menschliches Leid kümmern müsse, der es verschuldet habe. Sollte nicht vielmehr der Grundsatz gelten, dass der, der in der Lage ist zu helfen, auch in der Verantwortung ist, dies zu tun? Ich glaube kaum, dass Sie an einem schwer verletzten Unfallopfer ohne zu helfen vorbeigehen würden, nur weil Sie den Unfall nicht verschuldet haben.
Aber die USA, die zweifelsfrei gegen den Hunger helfen könnten, dürfen Ihrer Meinung nach die verhungernden Kinder ignorieren. Denn nichts anderes kritisiert B. Cassen im von Ihnen abgelehnten Zitat. Die Alleinschuld der USA am Hunger kann und muss doch gar nicht bewiesen sein, um unterlassene Hilfeleistung anzuprangern. Aber vielleicht sind Sie zu erwachsen, um die Stimme Ihres Gewissens noch zu hören. KLARA DEECKE
Was ist daran kindisch, wenn ich beobachte, wie die ersten Reaktionen von Bush und Co. statt Trauer und Entsetzen ein wahrer Lustschrei nach Rache ist? Das hat doch jeder mitbekommen! [. . .] Wo bleibt denn die Hilfe für die Terroropfer und die gute Bezahlung der Helfer bei der Geldverschwendung durch Krieg, der nur die Ziele der Terroristen erfüllt? Bush profiliert sich bei der „intelligenten“ Mehrheit mit diesem Rachegetöse. Die europäischen Vasallen machen blindlings Solidarität. Das sei vernünftig und gut? Da ist ja was in die taz reingerutscht! [. . .]
LUDWIG BERGER, Buchen
Sie haben völlig Recht. Herr Cassen wirft doch zu sehr alles in einen Topf. Umso mehr habe ich mich beim Weiterlesen des „Schlaglochs“ gewundert, dass Sie sich auch nicht davor scheuen.
Dass die USA ihre so genannten „nationalen Interessen“ mit wenig Rücksicht auf andere überall in der Welt durchsetzen, ist ja hinreichend bekannt. Wenn Sie jetzt jedem, der das kritisiert, „Antiamerikanismus“ vorwerfen – nun gut. Das ist reine Definitionssache.
Allerdings scheinen Sie sich nicht für die Hintergründe zu interessieren, wenn Sie die toten afghanischen Kinder anführen, die zweifellos als schreckliche Folgen des Taliban-Regimes zu bezeichnen sind. Aber das greift doch viel zu kurz. Ganz abgesehen von den Flüchtlingen die sie im gleichen Atemzug nennen, die aber wohl zweifellos erst seit den Bombenangriffen unterwegs sind. Bei jedem, der weiter fragt, wittern sie „kindlichen und blöden Scharfsinn“. Wie das? Um zu verstehen, warum die Taliban in Afghanistan so mächtig wurden, muss man doch auf jeden Fall die amerikanische Rolle in Afghanistan beleuchten. [. . .]
Tut mir Leid, ich bleibe lieber kindlich, als dass ich völlig erwachsen die Welt so hinnehme, wie sie ist, ohne nach Grund und Ursache zu fragen und Kriege zu rechtfertigen, deren Ziel wir nicht kennen, deren Legitimation mehr als zweifelhaft ist, die nie die richtigen treffen und immer nur mehr Leid verursachen.
BASTIAN BUSCH, Berlin
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