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Der Möglichmacher

■ Der ehemalige, im „Kultursenatorium nicht gelittene Generalintendant des Bremer Theaters wird 85 Jahre

Am 30. Oktober wird Kurt Hübner 85 Jahre alt. Von 1962 bis 1973 war er Generalintendant am Bremer Theater. Er wird seinen Geburtstag mit vielen seiner Weggefährten im Bremer Theater am Goetheplatz feiern. In gewissem Sinn beehrt er so noch einmal die Stadt, aus der im Jahr 1973 ohne offiziellen Abschied und Dank gejagt wurde: beleidigt, beschimpft und entlassen vom „Kultursenatorium“, wie er die Institution einmal bitter-ironisch nannte.

Mit der Entlassung Hübners endete Bremens, vielleicht sogar Deutschlands bedeutendste Theater-Ära. Für den damaligen Kultursenator Moritz Thape allerdings ein “völlig legaler Vorgang“, hatte Thape, der Hübner und dessen Arbeit nie sonderlich schätzte, doch nur den Vertrag des Intendanten nicht verlängert.

Hübners Verdienste indes sind so vielgestaltig wie seine Talente: Er holte die drei großen Antipoden des deutschen Theaters, Stein, Grüber und Zadek nach Bremen und konfrontierte sie mit Kresnik und Fassbinder, damals noch kreative Nachwuchskräfte. Im „offenen Vorsprechen“ entdeckte er in blutigen Anfängern schon große Schauspieler, etwa Bruno Ganz. Hübner brachte „Antitheater“ und „Living Theatre“, „Off“ und „Off Off“ ins deutsche Stadttheater und schaffte Verbindungen zu Musik, Bildender Kunst und Choreographischem Theater.

Gemeinsam mit Zadek produzierte er hierzulande das erste amerikanische Musical und unterlief, noch in Ulm, den westdeutschen Brecht-Boykott und damit alle Erwartungen und Konventionen der deutschen Bildungsbürger an „ihr“ Theater. Von nun an gehörten ein Offenlegen von Machtstrukturen sowie politisches Opponieren zum Alltag der Bühnen des Bremer Theaters.

„...von der Freiheit eines Theatermenschen“ heißt ein Film über Hübner von Marcus Behrens (heute um 14 Uhr auf N 3). Bremens ehemaliger Bürgermeister Koschnik begeistert sich darin über „Hübners Theater“, ein Theater, das der Gesellschaft einst eine Reihe neuer Anstöße gegeben hat. Zadek schwärmt von einer permanenten Theater-Party. Er kam sich vor wie „fünf Jahre lang auf einem Trip“.

Ästhetisch deutlich vom Bühnenbildner Wilfried Minks geprägt, entstand so unter der Ägide Hübners der berühmte Bremer Stil, in dem sich die Hansestadt bis heute allzugerne sonnt. Geprägt wurde der Begriff von der Zeitschrift „Theater Heute“, die sich am Bremer Geschehen derart interessiert zeigte, dass sie sich dafür flux den Spitznamen „Bremen Heute“ einhandelte. Hübner allerdings spricht lieber von der „Bremer Schule“, „weil da jeder in eine andere Richtung rannte und Zadek sogar in 17 verschiedene“.

Bis heute ist Hübner neugierig, im positiven Sinne „naiv“, immer unterwegs auf der Suche nach Neuem, Abseitigem und Aufregendem. Er unterrichtet Schauspielschüler, regt an, sammelt und sichtet die Szene. Beharrlich hält er Ausschau nach förderungswürdigen Kandidaten und jungen Talenten. Allerdings, die Messlatte liegt hoch: „Wenn ich nicht das Gefühl habe, der ist viel interessanter als ich selber, dann interessiert er mich nicht. Und das war vielleicht das ganze Geheimnis, immer“. Wahrscheinlich.

Der ehemalige Intendant feiert seinen 85. Geburtstag in Bremen. Tags darauf trägt er sich ins Goldene Buch der Hansestadt ein. Sein Lebensmotto nannte er einmal: „Trotzdem!“ Herzlichen Glüchwunsch!

Carsten Werner

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