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olympiafieberKandidat für die Spiele 2012 ist: Leipzig

Ellbogen sind ausgefahren

Am 3. November wird das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) bekanntgeben, ob es sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 bewerben wird. Wie die Entscheidung ausgeht, scheint bereits abgemachte Sache, spannend ist allein noch die Frage: Welcher deutschen Stadt traut das NOK zu, gegen Metropolen wie Rom, New York oder Paris bestehen zu können? Die taz nimmt die Kandidaten unter die Lupe. Heute: Leipzig

Sie haben so anschauliche Beispiele in Leipzig, um ihre Bewerbung zu erklären. Burkhard Jung, Leiter des städtischen Sportdezernats, bringt Straßenkehrer Beppo ins Spiel, den Beppo aus der „Unendlichen Geschichte“ von Michael Ende. Beppo ist ein redlicher Geselle, der sein Tagwerk akribisch verrichtet. Seine Aufgabe ist es, den Gehsteig zu wienern, „Stück für Stück, Schritt für Schritt“, wie sich Jung erinnert.

Thomas Mädler, Präsident des Stadtsportbundes, kommt auf Erich Honecker zu sprechen. Honni, sagt er, wollte auch einmal Olympische Spiele nach Leipzig holen. „Da haben wir fast in die Tischkante gebissen, das war der Hammer“, so Mädler. Denn Honecker war es nicht wirklich ernst mit seinem Vorschlag. Der SED-Chef wollte nur Berlins Regierenden Bürgermeister Walter Momper überrumpeln, der eine Gesamt-Berliner Bewerbung für 2004 avisierte. Damals, 1989, konnte alle Welt nur lächeln über eine Olympiastadt Leipzig, denn Sachsens Metropole lag am Boden. 50 Milliarden Mark hätte die marode DDR-Wirtschaft aufbringen müssen. Aber woher?

Vom Vorgaukeln falscher Tatsachen will Wolfram Köhler nichts mehr wissen. Der Bürgermeister von Riesa spielt mit offenen Karten. „Ich bin sehr skeptisch bei der Bewerbung“, sagt er. „Unsere Chancen sind nicht die allergrößten. Bei einem finanziellen Machtkampf könnten wir nicht mit dem Westen mithalten.“ Und weiter: „Wir haben wirtschaftliche Defizite, aber gerade deshalb bewerben wir uns.“

Die Kleinstadt Riesa ist Teil des Konzepts. Auch Chemnitz, Halle und Dresden sollen einbezogen werden, also die gesamte mitteldeutsche Region. Beim Gedanken, Olympia mache in Riesa Station, bekommen nicht wenige Angst, Leipzigs Großvorhaben könnte zu stark nach ostdeutscher Provinz miefen. „Riesa – da muss man schmunzeln“, sagt etwa Mädler. Eine Meinung, die Köhler, einer der Motoren der Bewerbung, ziemlich aufbringt.

„Keiner hat so viele Fachleute wie wir“, entgegnet er, „wenn Leipzig, Chemnitz oder Dresden so viele Großveranstaltungen organisiert haben wie wir, dann reden wir weiter.“ Köhler tat sich in den letzten Jahren als rühriger Sportmanager hervor, der Championate der Sumo-Ringer oder Aerobic-Sportler in sein Städtchen holte. Er bildet, gemeinsam mit dem sächsischen Kultusministerium und dem Sportdezernat das Führungsteam und gibt mitunter die Richtung vor. „Eine Strahlemann-Bewerbung mach ich nicht mit“, sagt er.

Da liegt er mit Jung auf einer Linie. Er bevorzuge eine „sehr sachliche“ und „nachdenkliche“ Vorgehensweise. Deswegen plädiere er für weitere „Feinuntersuchungen“ der Lage. Eine Grobanalyse führte im Frühjahr das Frankfurter Planungsbüro Albert Speer & Partner durch. Der Filius von Hitlers Leibarchitekten plante bereits für Berlin olympisch, weshalb man einen „Kompetenzvorsprung“ erwartete. Die Machbarkeitsstudie offenbarte, dass Leipzig und Co., was Wunder, hervorragende Eignung vorweise. Mehr als 3,5 Milliarden Mark seien zu investieren. „Die Partner der Region“ sollen jeweils ein Stück vom Kuchen abbekommen. Dresden (Reiten, Fechten, Volleyball), Riesa (Kampfsport) und Chemnitz (Fußball, Rhythmische Sportgymnastik, Trampolin) erhalten im Gegenzug die Auflage, sich jeweils mit 390.000 Mark an der Gründung einer Olympia GmbH zu beteiligen. Leipzig steuert bis 2003 – dann entscheidet sich das NOK für eine deutsche Stadt – über 900.000 Mark bei.

Leipzig will die Spiele. Die Stimmung in der Stadt ist gut. Letzte Woche stellte sich der Stadtrat geschlossen hinter die Bewerbung. Auch die PDS, die anfangs noch einen „Hang zum Größenwahn“ ausmachte, schwenkte um.

Burkhard Jung hat neulich bei der ersten inoffiziellen Präsentation vor dem NOK festgestellt: „Wir waren dort die Besten.“ Die anderen hätten nur nette Stadtansichten gezeigt, er dagegen Fakten. Die Ellbogen sind ausgefahren. Als schärfster Konkurrent gilt Düsseldorf. Bei einem Empfang, der Düsseldorf Zulauf bringen sollte, gelang Jung vor kurzem ein kleiner Coup. Die rheinländischen Honoratioren mussten den Sekt aus Kelchen trinken, auf denen „Leipzig 2012“ stand. „Wir sind da“, sagt Jung überzeugt.

MARKUS VÖLKER

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