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Mund bleibt zu

Energie Cottbus nimmt die 0:2-Niederlage gegen Borussia Dortmund seltsam kleinlaut hin

COTTBUS taz ■ Es ist Cottbus’ Manager und Präsident zum Ritual geworden, sich nach dem Spiel auf einen Schnaps zurückzuziehen. Oder auf ein paar Schnäpse. In einem Zweckbau in Stadionnähe bedenken Klaus Stabach und Dieter Krein das unmittelbare Geschehen – und schimpfen dabei viel und ausgiebig, auch über den Schiedsrichter und das Pech. Wenn sie ihren Umtrunk beendet haben und vor die Presse treten, gelingt es ihnen meist nicht, vom Schiedsrichter und all dem Pech loszukommen. Ihre Analyse bleibt flau und oberflächlich, kreisend zwischen Tautologie („Wir spielen so, weil wir nicht besser können“) und Circulus vitiosus („Weil wir nicht besser spielen, verlieren wir“).

Immerhin ließ Krein nach der fünften Niederlage in Folge wissen, Trainer Eduard Geyer stehe schon deshalb nicht zur Disposition, weil Energie Cottbus kein „Chaotenverein“ sei. Die Trainerfrage stelle sich überhaupt nicht. Aber welche Fragen stellen sich in Cottbus überhaupt? Offenbar keine substanziellen. Stattdessen sagte Krein nur: „Wir machen so ruhig weiter wie bisher.“

Auch Trainer Eduard Geyer war nach dem 0:2 gegen Borussia Dortmund sonderbar ruhig, so ruhig, dass Gästetrainer Matthias Sammer meinte, man solle nicht den Fehler begehen, die Niederlagenserie zu verdrängen. „Aus Angst kann auch Energie entstehen, das sagt ja schon der Vereinsname“, bemerkte Sammer. Geyer war indes schon zufrieden, dass man sich vor 19.300 Zuschauern im Stadion der Freundschaft durch Lauf- und Kampfbereitschaft „einigermaßen aus der Affäre gezogen hat“. Er lobte sein Team, glaubte sogar, bis zum 0:2, das Márcio Amoroso in der 83. Minute erzielte, habe „alles gestimmt, Taktik, Einstellung und so weiter“.

Auf der rechten Angriffsseite rannte Sebastian Helbig „für zwei“ (Geyer), doch mehr als einen eifernden Stürmer, Mittelfeldspieler mit überschaubarem Bewegungsdrang und eine biedere Abwehr hat Cottbus zur Zeit nicht zu bieten. Das an den SC Freiburg erinnernde, pfiffige Kurzpass- und Konterspiel der vergangenen Saison können sie heuer nicht umsetzen, weil vor allem das zentrale Nervensystem der Energetiker, Vasile Miriuta, das Spiel mehr verschleppt als antreibt. Und mit Standardsituationen allein sollte Cottbus nicht ewig auf Punktjagd gehen. „Ich weiß auch nicht mehr, was ich sagen soll“, sprach Helbig ratlos. „Jedes Wochenende ist es dasselbe.“

Matthias Sammer hätte auch von der Duplizität der Ereignisse sprechen können, denn Borussia Dortmund gelang im sechsten Auswärtsspiel der fünfte Erfolg. Und wenn man Sammer Glauben schenkt, war es ein besonderer Sieg. „Uns sagt man immer nach, es muss alles wunderbar aussehen: traumhafte Tore, traumhafte Spielzüge. Und wenn wir das nicht zeigen, haben wir trotzdem verloren, so läuft es doch“, sagte Sammer. „Aber diesmal haben wir den Sieg erzwungen. Man kann nicht erwarten, dass alles rundum leuchtet und den Leuten der Mund offen steht, wenn wir spielen. Also bin ich heute froh, dass wir ohne Glanz gewonnen haben.“

Vom Schönspiel der Borussen wurde tatsächlich niemand geblendet, auch fiel keinem Zuschauer die Kinnlade ob spektakulärer Aktionen eines Tomas Rosicky oder Márcio Amoroso herunter. Allenfalls matt schimmerte das Führungstor durch Lars Ricken in der 78. Minute. Ricken trug erstmals die Kapitänsbinde und fiel auch durch seinen Pass auf den Torschützen des zweiten Tores auf. Viel Geduld mussten die Borussen aufbringen, bis sie jubeln durften, wie Christian Wörns richtig erkannte. Erst gegen Spielende wurde Cottbus müde, und es taten sich Räume auf. „Die Räume, die wir so dringend für unser Spiel brauchen“, wie Wörns sagte.

Eine ambitionierte Mannschaft müsse nicht nur bei großen Spielen erfolgreich sein, sondern auch in der Provinz den Alltag passabel durchstehen – diesen Lehrsatz pries Sammer am Samstagnachmittag in der Lausitz. Das heißt: Die Bundesliga mag als Blaupause für Geniestreiche in der Champions League dienen. Am Dienstag wird Sammers These hart geprüft. Dann trifft Borussia an der Anfield Road auf den FC Liverpool.

MARKUS VÖLKER

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