standbild: Schiffbau-Blues
„Hat er Arbeit“ (Fr., 20.45 Uhr, Arte)
„Du lässt die Kinder zu viel fernsehen.“ – „Besser, als wenn sie mich ansehen.“ So lakonisch kommt Kai Wessels Geschichte von Kitty und Karl am Anfang daher: Karl, Schweißer auf der Werft im mecklenburgischen Boizenburg, und Kitty, Fußpflegerin mit mobiler Praxis im pinkfarbenen Polo.
Doch schon bevor die Werft auch noch zumacht, ist die Welt schon zu Ende: Kittys Schwager Björn, der Lanzeitarbeitslose, geht in die Elbe. Karl versucht seine Erwerbslosigkeit vor Kitty zu verheimlichen und setzt durch einen One-Night-Stand mit besoffenem Kopf die Beziehung vollends aufs Spiel. Ganz anders nebenan bei Neureichs: Sie machen in Gemüse, und Karls bester Freund Thorsten, der Banker in Festanstellung, wird plötzlich für Kitty zur ernstzunehmenden Partie. Dann trifft es auch noch Christian, den Familienvater, der zunächst noch weitermachen durfte: Er hängt am letzten Tag seine komplette Montur ans Werfttor und läuft splitternackt durch die Kleinstadt.
Spätestens hier dachte man dann wehmütig an Ken Loach, der solche Plots mit subtilem Humor und fein nuancierter Emotion inszeniert. Wessels Film dagegen, nur am Anfang und Schluss ein gelungenes Loach-Pendant, ist über weite Strecken zu holzschnittartig-vorhersehbar geraten.
Dabei sind die Rollen von Karl und Kitty mit Wotan Wilke Möhring und Mina Tander bestens besetzt, traumhaft auch Karls Vater (Ernst-Georg Schwill), der im stets gleich dunkelbraunen Hemd unter aschgrau-schwarz gemustertem Pullunder Hoffnungslosigkeit und Unverständnis einer ganzen Region verkörpert.
Doch vor allem die Dialoge sind allzu bald nicht mehr spröde-lakonisch, sondern nur noch flach – wie auch das Land an der Elbe. Das wiederum fängt die Kamera atemberaubend ein und sorgt für einen bedrückenden Kontrast zwischen malerischer Idylle und harscher Realität.
Am Schluss kommt auch wieder Ken Loach ins Spiel. Karl kriegt Kitty wieder, und alle Freunde wissen: Sie müssen raus aus dem Nest, nach Hamburg oder sonstwo, wo es noch Arbeit und deshalb Freiheit gibt. Das Gefährt für die Reise ist auch schon gekauft – ein dunkelgrüner Gefängnisbus. STEFFEN GRIMBERG
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