village voiceIn Berlin gibt’s auch Nu Metal: „Berlin macht Schule III“: Wir sind hier nicht in Seattle, Fritz
Erst unlängst wurde auf diesen Seiten die Flut an Berlin-Compilations beklagt. Zu Recht. Mit dem dritten Teil von „Berlin macht Schule“ ist nun wohl der Höhepunkt der Überflüssigkeit erreicht. Der erste Teil machte noch Sinn, weil er zwei, drei vereinzelte Trendchen zum Hype hochzupushen versuchte. Das konnte man zumindest sehen als Versuch, englische Verhältnisse zu adaptieren. Teil zwei war nur mehr interessant, weil zum Höhepunkt der HipHop-Hochjubelei der Berliner Rap-Nachwuchs eine Plattform bekam.
Der kommerzielle Erfolg ließ nun ein weiteres Sequel unausweichlich werden: Teil Drei behauptet, Berlin sei Seattle vor zehn Jahren, oder zumindest die Hauptabteilung der deutschen Sektion von Nu Metal. Ersteres klingt ausgelutscht, zweiteres so bürokratisch wie manche Band auf der vom Radiosender Fritz und dem Fanzine Uncle Sally’s zusammengestellten CD. Einen Sinn immerhin hat diese Compilation: Sie führt gnadenlos vor Augen, dass manchem Gitarrenbenutzer seit einem Vierteljahrhundert nicht viel Neues eingefallen ist.
Stattdessen scheint es, als wäre man in den Übungskellern dieser Stadt vor allem verzweifelt auf der Suche nach dem Sound, der einen zu den deutschen Blink-182, Linkin Park oder Alien Ant Farm werden lässt. Vielleicht wären die in Berlin sogar zu finden, was aber wäre damit gewonnen? Noch mehr Party-Punkrock für gelangweilte Feierabendrebellen? Noch mehr Rape-Rock mit Kotzbrocken-Rap und Brutalo-Gitarrenriffs, wie ihn Limp Bizkit eh besser können? Noch mehr Guano Apes oder 4 Lyn? Fast schon sympathisch da die Brainless Wankers, bei denen nicht nur der Bandname nach Kreuzberg in den düstersten Tagen der Achtzigerjahre klingt, oder Skillshot, die sich an der 387. Skate-Hymne versuchen und dabei zugegebenermaßen recht eingängig eine ganz alte Erfolgsformel reaktivieren: Strophe ganz leise und Refrain dann ganz laut mit schwerem Gitarrenbratz. Ein bewährter Trick, auf den sich hier auch andere ausufernd verlassen.
Überhaupt Altbewährtes: Die Beatsteaks dürfen die Zusammenstellung eröffnen und Haudegen wie Bar, die sich aus H-Blockx und Das Department rekrutieren, müssen die Kastanien aus dem Feuer holen. Red Stoner Sun haben offensichtlich jede Menge Hendrix gehört und reaktivieren das minutenlange Gitarrensolo. Electric Lizard fahren in ihren feuchten Träumen Harley und Sick Spawn erinnern sich erfolgreich, wie man Death Metal runterschrubbt. Man muss schon bis zum letzten Song durchhalten, um dabei zu sein, wie sich Beat Olympic an Experimentellerem versuchen.
Nicht nur musikalisch, auch textlich zeigen sich Hardcore, Punk und Crossover renitent gegen allzu moderne Einflüsse: Hier wird auch nach Hamburger Schule und deutschem Rap weiter fröhlich ausschließlich das englische Idiom benutzt: Nur Devil Inside singen immerhin ihren halben Song in Türkisch, Deutsch sucht man völlig vergeblich. Hört man diese Compilation, kommt man niemals auf die Idee, Berlin wäre die Nahtstelle zwischen Ost und West.
„Berlin macht Schule III“ klingt, als sei die Hauptstadt wie ein Vorort von Los Angeles: nach Garage, Skateboard, Surfbrett und dem Pick-Up-Truck von Papa. THOMAS WINKLER
“Berlin macht Schule III“ (V2)
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