: Komödiantisches um zwei, drei Schwindler
„Die Ministertochter“ der Theatergruppe Oronya im Rahmen des „eigenarten“-Festivals ■ Von Annette Stiekele
Ein mutiges Projekt und doch eines mit Hindernissen: Die deutschsprachige Erstaufführung der afrikanischen Komödie Die Ministertochter von Anatole Minka stand unter keinem guten Stern, denn es gab wenig Geld. Und doch fanden sich einige in Hamburg lebende schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler zusammen, um als extra gegründete Theatergruppe Oronya diese Produktion zu heben. Man glaubt es kaum, aber es ist die erste Theateraufführung dieser Art, und das in einer Stadt wie Hamburg, in der doch mehr als 25.000 Afrikanerinnen und Afrikaner leben.
Den Spass, den sie alle bei der Arbeit hatten, merkt man der Aufführung an, zumal viele von ihnen sich gleich in mehreren Rollen ausprobieren konnten. Das strahlte bei der Premiere auf Kampnagel beim interkulturellen Festival „eigenarten“ auch auf die Zuschauer aus. Die Geschichte beginnt wie ein klassisches Drama, Ngono ist Vollwaise und in ihrer Kindheit von Verwandten missbraucht worden. Sie kennt keinen anderen Weg als den, ihren Körper zu verkaufen an Männer, die ein möglichst dickes Konto aufweisen. Ort der Komödie ist Kameruns Hauptstadt Jaunde. Bühnenbildner Hanno Hackbart, der zusammen mit André Gilbert Ehoulan auch Regie führte, hat hierzu mehrere Schauplätze in den Bühnenraum verteilt. In einer Ecke steht eine Bar, in einer anderen ein Haus mit Wellblechdach, daneben ein paar alte Reifen.
Anastasia Kuma gibt der jungen Ngono eine ungeheure Präsenz, physisch, aber auch stimmlich, mitunter spielt sie sie bis an den Rand einer Furie. Doch zunächst ist sie einfach nur berechnend, wenn sie ihrer Freundin Ngo Mboua, gespielt von Miriam da Silva in schöner Tracht und auf Stelzen, von ihrem gelungenen Coup erzählt. Ihr Lebenscredo steht fest: „Für mich gibt es keine Liebe.“ Und so opfert sie ihre Selbstachtung erst für einen alten, aber reichen Libanesen, bevor sie in Ndjeutti (Samuel Bodom), dem Sohn des reichen Massa Jean einen hoffnungsvollen Ehemann findet.
Einziger Haken an der Sache, sie flunkert ihm vor, dass sie die Tochter des Präsidenten sei. Doch der etwas begriffsstutzige Gatte glaubt ihr und sein aufbrausender, geldgieriger Vater (ein grandioser Komödiant: Juan „Petit“ Ortiz) ebenso. Doch als der erste Liebesrausch verflogen ist, kriselt es in der Ehe. Unverholen nimmt Ngono den Gatten aus, verlangt immer noch mehr Geld, bis der genervte Ehemann schließlich dem häuslichen Abendessen immer häufiger fern bleibt und Ablenkung in außerehelichen Vergnügungen sucht.
Aus schierer Verzweiflung bittet Ngono den knurrigen Zauberer Malam um Hilfe. In dieser Rolle beweist der Schauspieler und Regisseur André Gilbert Ehoulan, früherer Intendant des Hamburger Theatron-Theaters, einmal mehr seinen Witz und seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit. An einer Bühnenwand entfacht er seltsame Feuer, während sein Sohn Zonzon (wiederum Ortiz) dazu trommelt, was das Zeug hält. In solchen Momenten gewinnt das Stück eine komödiantische Eigendynamik, die mit einer satten Prise Selbstironie auch über Längen in der Handlung hinwegrettet. Neben Ngono tauchen bei dem Magier noch andere Unglückliche auf, die frühere Verlobte von Ndjeutti (Evelyne Nagie), die ihren Liebsten zurückgewinnen will und ein Geschäftsmann, der um seinen Erfolg fürchtet, die Traditionen verkennt und dem entrüsteten Magier erst einmal die Hand reichen will. Sie alle müssen für die Erfüllung ihrer Wünsche eine Menge Geld hinblättern. Wie überhaupt in dieser Gesellschaft alles nur auf dem schnöden Mammon beruht.
Mit Zaubermitteln versucht Ngono ihren Ehemann zu betören, doch in dem Moment fliegt ihr Schwindel auf. Und es platzen noch weitere Bomben. Denn die Familie, in die sie so hoffnungsvoll eingeheiratet hat, ist offenbar alles andere als ehrenwert. Massa Jean hat seinen Reichtum auf Falschgeld begründet und entpuppt sich am Ende sogar als ein früherer Freier. Und auch der harmlos nette Hausdiener Manga, Fattah Yunusah, gleichzeitig auch der Erzähler der Geschichte, wird als Schwindler entlarvt. Die Minis-tertochter ist kein wirklich politisches Stück, sondern in erster Linie pure Unterhaltung. Nur an einigen Stellen scheint Ernst durch, wenn Großvater Ndjeuttis feststellt, dass die Abkehr von der Tradition überall auf der Welt ins Unglück führt. Insgesamt aber ein Pilotprojekt, das Schule machen sollte.
weitere Vorstellungen: heute, 11 Uhr + 19 Uhr, morgen und übermorgen, je 19 Uhr, Kampnagel
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