: Arbeitsgericht stoppt Ärzte-Funktionäre
Kündigung unwirksam: Kassenärztliche Vereinigung kann seine Justitiarin nicht einfach feuern, weil sie auf die rechtswidrige Vorteilsnahme eines KV-Vorstandes hinwies
Schlappe für die Kassenärztliche Vereinigung (KV): Das Arbeitsgericht hat die Kündigung aufgehoben, die die KV Bremen gegenüber ihrer Justitiarin ausgesprochen hatte. Auch der Antrag der Arbeitgeberin auf einen Auflösungsvertrag wurde „zurückgewiesen“. Damit ist die KV mit ihrem siebten Versuch in sechs Monaten am Arbeitsrecht gescheitert, die Justitiarin zu feuern. Die KV machte allerdings deutlich, dass das Verfahren nun in die nächste Runde vor das Landesarbeitsgericht gehen wird, vor dem der Fall schon einmal behandelt wurde (vgl. taz 27.9.)
Die Verbissenheit, mit der die KV diese Auseinandersetzung führt, weist darauf hin, dass es um mehr geht als die Beschäftigung einer Justitiarin, an deren fachlicher Arbeit es zudem bisher keine Kritik gegeben hat. Hintergrund der Kündigung sind Bemerkungen der Justitiarin auf einer internen Vorstandssitzung. Das Gericht befand, die Justitiarin sei in dieser Sitzung wohl in Wortwahl und Heftigkeit über das Ziel hinausgeschossen, dennoch könne dies keine Kündigung rechtfertigen. Arbeitsrichter Waldemar Reinfelder ließ dabei erkennen, dass er durchaus das Recht von Mitarbeitern sehe, ihren Arbeitgeber auf rechtswidriges Verhalten hinzuweisen - ohne dafür gemaßregelt zu werden.
Dies ist es, was die Ärztevertreter in der Kassenärztlichen Vereinigung so auf die Palme bringt. Die Justitiarin hatte in der internen Sitzung Vorstand und Geschäftsführung auf die mögliche „Vorteilsnahme“ bei der Berechnung des Praxisbudgets von KV-Vize Dr. Jörg Andreas Rüggeberg hingewiesen. Und das tat sie, wie der Vorstand seiner Justitiarin auch vor dem Arbeitsgericht vorwarf, mit „ausgeprägter Uneinsichtigkeit“.
Rüggeberg hatte schon früh eingeräumt, die Sache sei „verwaltungstechnisch nicht korrekt“ gewesen, die Ärztevertreter im Zulassungsausschuss hatten aber den sechsstelligen Vorteil für seine Praxis beschlossen. Die Aufsichtsbehörde beim Senator für Arbeit und Gesundheit hat inzwischen sehr detaillierte Fragen gestellt und Unterlagen von der KV angefordert, um zu überprüfen, ob die KV den Ausschuss für seine Entscheidung korrekt informiert hat. In Bremer Ärztekreisen geht man davon aus, dass der Zulassungsausschuss sogar „auf Anweisung“ falsch informiert worden sein könnte. Die Anweisung soll - und da würde sich der Kreis schließen - der Geschäftsführer der KV, Klaus Stratmann, gegeben haben.
Die KV stört sich verständlicherweise heftig daran, dass über diese internen Vorgänge öffentlich berichtet wird - und versucht die Jus-titiarin dafür verantwortlich zu machen. „Heute stand schon wieder etwas in der Zeitung“, beklagte sich der Anwalt der KV vor dem Arbeitsgericht. Das Verfahren um die Entlassung ihrer eigenen Justitiarin „könnte die KV in Bedrängnis bringen“, hatte die bundesweit erscheinende „Ärztezeitung“ geschrieben. Der Arbeitsrichter musste den Anwalt darauf hinweisen, dass der Zeitungsartikel in dem Verfahren um die Kündigung keine Rolle spiele.
Früher hatte die KV einen taz-Bericht zum Anlass genommen, eine fristlose Kündigung zu beantragen. Spezielle Begründung in diesem Fall: Der Anwalt der KV-Mitarbeiterin war mit den Worten zitiert worden, die Methoden der KV kenne er bisher nur aus der Baubranche.
In dieser Woche trug die KV beim Arbeitsgericht vor, eine Weiterbeschäftigung sei auch deshalb unzumutbar, weil die Gekündigte völlig isoliert in der KV sei. Wenig später musste der Geschäftsführer der KV in der Verhandlung dann einräumen, dass die KV auch alle Register des Mobbing über Bande zieht: Als eine Mitarbeiterin „zweimal“ in das Zimmer der Justitiarin gegangen sei, habe er ihr schriftlich mit dem Hinweis auf arbeitsrechtliche Schritte die Anweisung gegeben, den „Kontakt zu Frau Sch. auf die Pausen zu beschränken“. K.W.
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